Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
nachzusehen. Ihn fröstelte. Er schlang die Arme um seinen Leib und versuchte, die unbegreifliche Lage zu erfassen, in der er sich befand. Alles war verloren, auf was er in dieser Wildnis angewiesen war. Kein Schiff, keine Mannschaft, keine Jäger. Keinerlei Vorräte. Wahrscheinlich war Alise bereits tot, und ihr Leichnam trieb irgendwo auf dem Wasser. Da überkam ihn Trauer. Er versuchte, sie beiseitezuschieben, denn er musste einen kühlen Kopf bewahren, wenn er nicht ihr Schicksal teilen wollte.
Was sollte er tun? Er hatte keine Werkzeuge, kein Feuer, keinen Schutz, keine Nahrung und nicht die nötige Kenntnis, wie man sich diese Dinge beschaffte. Er sah die Kupferne an. Er hatte sie nicht angelogen, denn er wusste wirklich nicht, wie er sie retten konnte. Starb die Drachin, würde der Fluss ihren Kadaver davonspülen, und dann wäre es auch um ihn geschehen. Wahrscheinlich würde er einen langsamen Tod sterben. Und einen einsamen. Denn dann hätte er keine Möglichkeit mehr, sich flussauf-oder abwärts zu bewegen.
Im Moment stellte die Drachin seine einzige Hoffnung dar, hier wieder wegzukommen. Sie war seine einzige Verbündete. Sie hatte ihr Leben für ihn riskiert. Und hatte im Gegenzug so wenig von ihm verlangt.
Relpda stieß einen kurzen Schrei aus, und er sah zu ihr zurück. Sie hatte sich weiter in das Feld aus schwimmendem Unrat vorgearbeitet und ein Vorderbein über das Ende eines ziemlich mächtigen Stamms geschwungen. Nun mühte sie sich ab, auch das andere Bein über das andere, schmalere Ende des Holzes zu werfen. Doch wenn sie den Stamm belastete, sackte er nach unten und drohte, ihr zu entgleiten und nach oben zu schnellen. Es bestand die Gefahr, dass sie dann unter dem Treibgut begraben würde.
»Relpda, warte. Du musst zur Mitte des Stamms rutschen. Warte. Ich komme.« Er betrachtete kurz ihre Lage und überlegte, wie er ihr helfen konnte. Sinkender Drache, schwimmendes Holz. Er fragte sich, ob sein Gewicht ausreichen würde, das Ende des Stamms so lange niederzudrücken, bis sie das andere Bein darüber geschlungen hatte.
Natürlich hörte sie nicht auf ihn. Stattdessen bemühte sie sich leise japsend, den Stamm unter ihrem Bein einzuhaken. Durch ihr Strampeln riss sie an dem Treibgutteppich. Am Rand lösten sich bereits Teile davon und wirbelten mit der Strömung davon.
Er versuchte es noch einmal, indem er sich ganz auf sie konzentrierte. »Du Herrliche, erlaube mir, dir zu helfen. Halte für einen Augenblick still. Halte still. Lass mich den Stamm für dich hinunterdrücken. Ich komme, liebliches Geschöpf, Königin der Königinnen. Ich komme, dir zu dienen. Du darfst das verkantete Holz nicht auseinanderreißen, sonst trägt es dich womöglich fort von mir, flussabwärts. Halte so still wie möglich, während ich überlege, was zu tun ist.«
Er spürte einen warmen Hauch und dann eine winzige Nachricht. Dienen mir? Sie hielt in ihren Anstrengungen inne und entspannte sich. Es war bemitleidenswert, wie leicht sie ihm Glauben schenkte. Seine nassen Kleider klebten ihm am Leib und rieben an der geröteten Haut, während er sich unsicher über das Treibgut und von Stamm zu Stamm tastete. Die Hölzer bewegten sich, und manchmal hatte er nur einen Augenblick Zeit, um den nächsten Schritt zu machen, bevor ein Stamm unter ihm wegsank. Aber er erreichte die verkrüppelte Wurzel ihres Stamms und hielt sich daran fest. Der Baum war lang, und so war der Abstand zwischen Sedric und Relpda groß genug, dass er glaubte, ihr größeres Gewicht ausgleichen zu können. Langsam stieg er auf das Wurzelwerk, um zu sehen, ob sich der Stamm an ihrem Ende hob. Dann erkannte er seinen Irrtum. Er durfte den Stamm auf ihrer Seite nicht anheben, sondern musste dafür sorgen, dass er nach unten sackte, sodass sie hinaufgelangen konnte. Plötzlich wünschte er sich, er hätte mehr Erfahrung mit solchen Dingen. Er hatte nie mit Händen und dem Rücken gearbeitet und war stolz darauf gewesen. Denn er hatte sich seinen Lebensunterhalt mit seinem Verstand und seinen Umgangsformen verdient. Aber wenn er jetzt nicht schnell lernte, wie er der Drachin helfen konnte, würde sie sterben.
»Relpda, meine prachtvolle Kupferkönigin. Halte ganz still. Ich versuche, den Stamm bei mir hochzuheben und unter deine Brust zu schieben. Es kann sein, dass er dich ein bisschen anhebt, wenn er wieder aufsteigt.«
Sein Plan ging nicht auf. Wann immer er versuchte, den Stamm anzuheben, sackte der Teil des Treibguts, auf dem er stand,
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