Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
ab. Einmal verlor er fast das Gleichgewicht und wäre unter die verfilzte Schicht gestürzt. Zwar gelang es ihm, den Stamm etwas weiter unter ihre Brust zu schieben, aber als er seine Versuche aufgab, war ihre Lage nur geringfügig besser als davor. Wenn sie zu rudern aufhörte, ging sie unter, aber Kopf und Rücken blieben über Wasser. Sie fixierte ihn mit ihrem Blick, und er sah in ihre Augen. Kreisende Teiche, die sich dunkelblau vom Kupferrot abhoben. Die Farben flossen darin und erinnerten ihn an die wirbelnden Rottöne ihres Blutes in der Glasphiole. Da versetzte ihm das schlechte Gewissen einen Stich. Wie hatte er nur eine solch monströse Tat vollbringen können?
Müde, blökte sie. Das Geräusch drang an sein Ohr, während das Erschöpfungsgefühl seinen Geist flutete. Er bekam schwache Knie. Doch er straffte sich und bemühte sich, ihr Wärme und Mut zu spenden.
»Ich weiß, meine Königin, meine Holde. Aber du darfst nicht aufgeben. Ich tue mein Bestes, und ich werde dir helfen.« Sein erschöpfter Geist erwog und verwarf verschiedene Möglichkeiten. Kleinere Holzstücke unter sie schieben. Nein, die würden einfach wieder davonschwimmen. Oder er würde dabei ins Wasser fallen.
Sie rutschte mit dem Vorderbein und suchte nach besserem Halt. Da hob sich der Stamm an seinem Ende, platschte wieder ins Wasser und wäre ihr beinahe entglitten. Aus dem Teppich löste sich weiterer Unrat und wurde von der hungrigen Flut fortgetragen. »Zapple nicht, meine Schöne. Der Stamm könnte sich sonst von den anderen lösen. Bleibe so ruhig wie möglich, so lange ich nachdenke.«
Die Wärme, die ihn durchströmte, linderte seine Sorgen. Kurz erfüllte ihn Behagen, und in ihm regte sich ein Gefühl, das einer leisen Verliebtheit glich. So schnell es gekommen war, so schnell ebbte es wieder ab. Er ballte die Fäuste. Wie hatte Alise es genannt? Den Drachenzauber. Es fühlte sich gut an. Berauschend und lebendig. Fast hätte er danach getastet und sich willentlich in diesen Zustand versetzt. Dann strampelte sie wieder, und erneut wäre er beinahe ins Wasser gefallen. Nein. Wenn er ihr helfen wollte, musste er Distanz wahren und klar im Kopf bleiben. Doch ihm fiel ein furchtbarerer Grund ein, weshalb er sich von ihr besser fernhalten sollte. Wenn er zuließ, dass sich ihre Gedanken zu sehr berührten, und wenn sie dann ertrank … Ihn schauderte bei der Vorstellung, dies miterleben zu müssen.
Er sah erst zu der Drachin, dann zum Himmel, um abzuschätzen, wie spät es war, und schließlich zu den Bäumen. Die Bäume versprachen am ehesten Erfolg, entschied er. Es wäre anstrengend, aber wenn es ihm gelänge, das Treibgut so umzuschichten, dass die Strömung die größeren Stämme zwischen den Bäumen verkantete, würde Relpda vielleicht sichereren Halt finden, wenn er sie dorthin führte. Er sah sie an und wartete, bis sie seinen Blick erwiderte. Dann versuchte er mit aller Kraft, ihr das Bild in seinem Kopf zu vermitteln. »Liebliche Königin, ich werde das Holz umschichten und dir einen Zufluchtsort schaffen. Zapple nicht herum, solange ich damit beschäftigt bin. Halte durch und hab Vertrauen. Kannst du das?«
Rutsche.
»Ich beeile mich. Nicht aufgeben.«
»Ich will verdammt sein«, rief jemand aus, gleichermaßen belustigt und verblüfft.
Sedric wirbelte herum, und sein Herz machte einen Satz beim Klang einer menschlichen Stimme. Er glitt aus, fing sich aber wieder und spähte mit zusammengekniffenen Augen in die Dunkelheit unter den Bäumen.
»Hier oben«, kam die Stimme des Mannes als ein heiseres Krächzen.
Sedric ließ den Blick nach oben wandern und erkannte einen Mann, der den Stamm hinabkletterte. Seine Hände fanden die Spalten in der Borke, und indem er die Stiefelspitzen in die Ritzen schob, gelangte er rasch nach unten. Erst als er sich zu Sedric umwandte, erkannte dieser ihn. Es war der Jäger, der ältere. Jess. So hieß er. Sie hatten nie viel miteinander gesprochen. Ganz offensichtlich konnte Jess nicht viel mit ihm anfangen, und er hatte ihm nie erklärt, warum er ihn einmal in seiner Kabine aufgesucht hatte. Der Jäger sah furchtbar aus, denn sein Gesicht war zerschrammt und voller blauer Flecken. Aber immerhin war er am Leben, ein menschliches Wesen und willkommene Gesellschaft.
Und natürlich wusste Jess, wie man an Essen und Wasser herankam – er konnte ihm helfen zu überleben. Anscheinend hatte Sa seine Gebete erhört.
»Wie seid Ihr hierhergekommen?«, grüßte er ihn. »Ich glaubte,
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