Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
und sah zu, wie Carson sich umwandte und davonging. »Bitte, bitte, finde sie«, flüsterte er, bevor auch er an Deck ging, um selbst einen Blick auf den Fluss zu werfen.
Als er an Deck zu seiner Mannschaft stieß, spürte er das Mitgefühl, das ihm entgegenschlug. Swarge, Bellin, Hennesey und der hünenhafte Eider schwiegen und sahen weg, als schämten sie sich, weil sie ihm nicht geben konnten, was er wollte. Skelly kam zu ihm und nahm ihn bei der Hand. Er schaute zu ihr hinunter, und als ihre Blicke sich trafen, sah er in ihr für einen Moment seine Nichte und nicht die Decksgehilfin. Sie drückte seine raue Hand, und ihr verkniffener Mund und das kurze Nicken zeigten ihm, dass sie seine Sorgen teilte. Ohne ein Wort kehrte sie auf ihren Posten zurück und hielt Ausschau. Eine gute Mannschaft, dachte er mit zusammengeschnürter Kehle. Ohne Murren waren sie ihm auf diese Fahrt den Fluss hinauf und in unbekannte Regionen gefolgt. Zum Teil, weil es ihrem Naturell als Flussschiffer entsprach, denn sie waren neugierig, abenteuerlustig und voll Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Aber zum größten Teil, weil sie ihm und Teermann überallhin folgten. Er bestimmte über ihr Leben. Manchmal erfüllte ihn diese Gewissheit mit Demut.
Er wunderte sich, warum er Carsons Frage ausgewichen war. Der Jäger war kein Narr. Lange ließ er sich von der Scharade der Mannschaft ohnehin nicht täuschen. Er wusste, dass der Kahn ein Bewusstsein hatte, und hätte er daran noch leiseste Zweifel gehabt, wären diese letzte Nacht zerstreut worden, als Teermann Leftrin gerettet hatte. Als der Kapitän gerufen hatte, war der Kahn sogleich herbeigeeilt. Und trotz der starken Strömung war das Schiff so lange auf der Stelle verharrt, bis Leftrin an Bord und in Sicherheit gewesen war.
Tropfnass, schlotternd und in eine Decke gewickelt war er in die Kombüse gegangen. »Geht es Alise gut?«, hatte er gefragt, und die Gesichter seiner Männer hatten ihm alles gesagt.
Seither hatte er nicht geschlafen, und er würde auch nicht schlafen, bis er sie gefunden hatte.
Das Gewirr aus Treibgut war zwar dick, aber trotzdem nicht ausreichend tragfähig.
Relpda hatte ihn bis zu dem Teppich getragen. Wie ein Löffel, der durch dicke Suppe fährt, hatte sie die Schicht durchpflügt. Treibholz, verfilztes Gestrüpp, Zweige und Blätter, morsche Stämme, frisch entwurzelte Bäume und Grasbüschel waren von ihr zerteilt worden und hatten sich hinter ihr wieder geschlossen. Als sie sich mit der Brust gegen den Unrat gestemmt hatte, war sie zu dem Schluss gekommen, dass der Teppich dicht oder tragfähig genug war, und hatte Sedric fallen lassen. Er war quer zu einigen Stämmen aufgekommen und anschließend beinahe zwischen ihnen hindurchgerutscht. Wie wild und unter brüllenden Schmerzen in den steifen Gliedern hatte er gerudert und um sich geschlagen, um sich auf den breitesten der Stämme hochzuziehen. Der Stamm, an dem er sich festgeklammert hatte, schaukelte auf dem Wasser. Schlimmer noch, das Holz rollte herum und drohte, sich aus dem Geflecht zu lösen, da die Drachin wie rasend dagegenstieß und daran scharrte, weil auch sie hinaufkraxeln wollte.
»Der trägt dich nicht, Relpda. Hör auf. Halt, sonst reißt du ihn noch los. Du kannst da nicht hinaufklettern, das sind nur schwimmende Scheite und Schilf.« Er wich vor ihr zurück auf einen Teil des Treibholzteppichs, der von ihrem Zappeln nicht so sehr durchgeschüttelt wurde. Er spürte ihre wachsende Panik, in die sich Erschöpfung und Verzweiflung mischten. Sie war müde, und er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er wusste, dass sie mehr Kraft übrig gehabt hätte, wenn sie ihn aufgegeben hätte. Wieder fragte er sich, warum sie ihn trotz des offensichtlichen Tributs, den es von ihr forderte, gerettet hatte.
Dann fragte er sich, warum er nichts tat, um sie zu retten.
Schnell und schuldbewusst kam ihm die Antwort. Wäre sie erst einmal ertrunken, wäre sie für immer aus seinem Kopf verbannt. Dann hätte er die Gewissheit, dass seine Gedanken wieder ganz die eigenen waren. Wenn er dann nach Bingtown zurückkehrte, konnte er so weiterleben wie bisher und …
Er verdrängte die eigennützigen Erwägungen. Er würde nie nach Bingtown zurückkehren. Schließlich befand er sich auf einem Floß aus Treibgut, das in Säure schwamm. Er untersuchte seine beißenden Arme. Die freiliegende Haut sah aus wie Pökelfleisch. Er mochte sich gar nicht vorstellen, wie der Rest aussah, und wagte auch nicht,
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