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Raine der Wagemutige

Titel: Raine der Wagemutige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Brockway
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verschlungen hätten. Und alle waren seine Freunde gewesen.
    „Aye, Madame. Ich hasste es. Aber nie so sehr wie in diesem Augenblick.“
    „Warum?“ Sie lehnte sich vor; ihre Neugier hatte sie ihre Furcht vergessen gemacht. Das Kutschenfenster umrahmte ihren Kopf und ihre Schultern, das Licht der Laternen des Wirtshauses glänzte auf ihrem Haar und tauchte ihre Gestalt in einen hellen Glorienschein. Sie wäre tatsächlich in Gefahr, wenn sie allein und unbeschützt reisen würde. Sie ist, dachte er verschwommen, in meiner Nähe in Gefahr.
    „Weil ich vergessen hatte, was Freiheit bedeutet“, antwortete er schließlich, „und jetzt erinnere ich mich wieder. Und der Vergleich ist. . . unglaublich.“
    Da das Licht in ihrem Rücken war, konnte er ihr Mienenspiel nicht sehen.
    „Warum hat Eure Familie Euch nicht. . .“
    „Erst bin ich jetzt an der Reihe“, fiel er ihr ins Wort. Ash war fort, Fia inzwischen vermutlich an den reichsten Bewerber um ihre Hand verschachert, und an Carr wollte er nicht denken. Er hatte weder irgendein Interesse an seinem Erzeuger noch das Verlangen, ihn jemals wieder zu sehen. Auch wenn er annahm, dass sich das durchaus als unvermeidlich herausstellen könnte, wenn er erst einmal in Wanton's Blush angekommen war.
    Wanton's Blush.
    Seine Zukunft hielt auf einmal wieder Chancen, Möglichkeiten und Aussichten bereit, die über den einfachen Wunsch hinausgingen, nicht bei der nächsten Gefängnisschlägerei getötet zu werden. Die Erkenntnis traf ihn mit zu Kopfe steigender Macht.
    „Monsieur?“
    Er blinzelte wie ein Mann, der nach zu langer Zeit im Dunkeln wieder ins Sonnenlicht tritt, überwältigt davon, wie viel er dieser jungen Frau schuldete. Sogar wenn, wie er immer noch vermutete, mehr an ihrem Plan dran war, als sie ihn wissen ließ, so gab es wenigstens heute Nacht eine Möglichkeit zur Flucht, wo gestern nur gähnende Leere gewesen war.
    „Ich stehe in Eurer Schuld“, erklärte er.
    „Bitte, Monsieur. Ihr schuldet mir nichts. Ihr helft mir aus einer Notlage.“ Die junge Frau senkte den Kopf und betrachtete ihre behandschuhten Hände. Eine lange seidige Strähne löste sich aus ihrer Frisur und fiel ihr über die Schulter. Sie sah so frisch, weich und in ihrer Jugend so verlockend frühlingshaft aus, so, wie er es selbst nie gewesen war. „Ich stehe in Eurer Schuld“, murmelte sie.
    Nun, den Himmel um diesen Preis zu bitten, verlangte sogar noch mehr Kühnheit, als selbst er je besessen hatte. Aber sie hatte es selbst gesagt, und es hatte zweifellos noch nie zu seinem Wesen gehört, eine günstige Gelegenheit ungenutzt verstreichen zu lassen. „Es scheint, wir stehen jeweils gleichermaßen in der Schuld des anderen, nicht wahr, ma petite Madame ?“ Er machte eine Pause. „Kann ich . . . Darf ich Euer Haar berühren?“
    Es war nicht das, was er vorgehabt hatte zu sagen, und er hörte aus dem Zögern in seiner Stimme eine Sehnsucht heraus, die nur mühsam von den Resten seines Stolzes im Zaum gehalten wurde. Einfältiger Tropf, schalt er sich selbst, albern daherschwatzender Narr. Wie geschliffen, wie weltmännisch das geklungen hat. ,Darf ich Euer Haar berühren . . . ‘
    Trotzdem wartete er gebannt auf ihre Antwort.
    Das leichte Senken ihres Kinns, ein kaum wahrnehm-bares Nicken, entging ihm nicht. Langsam streckte er die Hand aus, so sorgsam darauf bedacht, sie nicht zu erschrecken, als wäre sie ein Fohlen aus den Highlands, das zum ersten Mal einen Menschen sieht. Sie verharrte völlig reglos, wachsam. Seine Finger schwebten einen Augenblick lang über den schimmernden Flechten, dann bewegten sie sich. Fühlten.
    Seide. Kühle Seide. So glänzend, so glatt und weich. Er rieb die Locke sachte zwischen Daumen und Zeigefinger, schloss die Augen, um ihre Fülle und Beschaffenheit deutlicher wahrzunehmen. Er ließ seine Finger höher gleiten, bis sie die Stelle erreichten, wo das Haar seine metallische Kühle verlor und von der Nähe zu ihrer Haut warm war. Er öffnete seine Hand und ließ die Strähnen zwischen seinen Fingern hindurchgleiten, dann umschloss er die seidige Masse in seiner Faust, bevor er sie losließ. Feiner Duft nach Seife und Sauberkeit stieg ihm in die Nase. Er seufzte.
    „Wie alt seid Ihr, Monsieur?“ hörte er sie verwundert fragen. Er schlug die Augen auf.
    „Ich bin ein paar Jahre in meinem dritten Lebensjahrzehnt, Madame.“
    „So jung? Mon Dieu“, hauchte sie. „Wie viele Jahre wart Ihr im Gefängnis?“
    „Was tut das zur Sache . .

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