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Raine der Wagemutige

Titel: Raine der Wagemutige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Brockway
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müde und erschöpft, so als ob die Belastungen der letzten Stunden sie schließlich eingeholt hätten.
    Wie auf ein Stichwort ertönte an der Tür ein Klopfen. Hastig sah sich Raine nach einem Fluchtweg um. Sie brauchten nur um Hilfe zu rufen, und er wäre tot. „Monsieur!“ flüsterte das Mädchen flehentlich.
    „Kommt schon, mein Freund“, drängte Jacques. „Was habt Ihr zu verlieren und was zu gewinnen?“
    Er konnte nach Schottland zurückkehren. Wie viele Nächte hatte er auf seinem modrigen Lager wach gelegen und geplant, wie er nach seiner Flucht am besten vorginge? Jetzt bot sich ihm endlich die Gelegenheit, diese Pläne in die Tat umzusetzen.
    Erst nach Schottland und dann weiter nach Wanton's Blush, die Burg auf McClairen's Isle, wo sein dreifach verfluchter Vater lebte - aber nicht um seinen widernatürlichen Erzeuger zu besuchen. Nein, er würde heimlich dort hingehen, um die Juwelen zu holen, die seine Mutter kurz vor ihrem vorzeitigen Ende versteckt hatte. Die Juwelen, die er sie in den doppelten Boden eines Teeschränkchens hatte verstauen sehen. Die Juwelen, von denen er nie jemandem erzählt hatte. Noch nicht einmal Ash.
    Und dann würde er das, was ihm auf Grund seines Geburtsrechtes zustand, nehmen und in die Neue Welt segeln - und in die Freiheit. Wirkliche Freiheit. Freiheit von Schottland und von McClairen's Isle und von Carr, aber vor allem von seiner eigenen Vergangenheit.
    Der Diener vor der Tür klopfte erneut. Die junge Frau musterte Raine besorgt und benetzte mit der Zunge ihre volle Unterlippe.
    Und außerdem gab es noch einen Punkt, der der Vorstellung, mehrere Nächte mit ihr auf einem Schiff zu verbringen, einen gewissen Reiz verlieh - als Mr. und Mrs. Lambett konnte es durchaus sein, dass sie sich eine Kabine würden teilen müssen, er und diese auf seltsame Art attraktive junge Frau.
    Er grinste, nahm seinen Finger vom Abzugshahn der Pistole und steckte sie sich wieder hinten in die Hose. „Macht die Tür auf, Jacques“, sagte er gelassen. „Ich würde gerne etwas essen, bevor wir zu den Docks aufbrechen.“

5. KAPITEL
    Genau wie das Mädchen es gesagt hatte, trug der Diener, der vor der Tür stand, ein mit Essen beladenes Tablett: knusprige Laibe frisch gebackenen Brotes; dampfende Fleischpasteten mit Schlitzen in der Teigkruste, aus denen köstlicher Kräuterduft aufstieg; kalter Braten und eine Kuchenplatte mit zuckerüberzogenen, heißen Apfeltörtchen.
    Was für Zweifel Raine auch immer an der Aufrichtigkeit des ungleichen Paares hatte, so war doch klar, dass sie um seine Bereitschaft warben, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Zum ersten Mal in Jahren aß er sich satt und schenkte der jungen Witwe nur seine halbe Aufmerksamkeit, während sie ihm den Plan darlegte. Sie teilte ihm mit, was er zu sagen hatte und wie er den Schmugglerkapitän ansprechen sollte, den Ort und Zeitpunkt des Treffens. Die andere Hälfte seiner Aufmerksamkeit war darauf gerichtet, seine Alternativen zu erwägen.
    Aber sosehr er sich auch bemühte, er konnte sich einfach keinen Plan ausdenken, der so große Aussicht auf Erfolg verhieß wie der, den diese Madame Lambett ihm vorgetragen hatte - wenn alles stimmte. Außerdem glaubte er nicht, dass er, wenn er das Zimmer verließe, weit kommen würde. Seine schmerzlichen Erfahrungen aus der Vergangenheit hatten ihn die Unverzichtbarkeit von ausgefeilten Plänen und hilfreichen Verbündeten gelehrt.
    Er besaß keine anderen Verbündeten; er wusste nicht einmal, was hinter dem nächsten Hügel lag. Und selbst wenn er entkam, was dann? Ohne Papiere oder Geld wäre er gezwungen, zu Fuß zu gehen, bis er wieder gefangen wurde oder einen gewissen Reichtum angehäuft hatte - wenn er sein Leben nicht zuvor in irgendeiner Kneipenschlägerei verlor.
    Und er wollte mehr als das. Seine Jahre im Kerker hatten ihn dazu gebracht, nachzudenken, ob sein Leben ir-gendeinen Wert, eine Art von Sinn haben könnte. Er hatte herausgefunden, dass er mehr wollte als die Zukunft, die er vor der Gefangenschaft in Frankreich angestrebt hatte: ein schäbiges Echo der strahlenden Sünden seines Vaters.
    Er schaute wieder zu der jungen Frau, die ihm am Tisch gegenübersaß. Sie hatte ihr rotgoldenes Haar genommen und zu einem Knoten in ihrem Nacken geschlungen - eine echte Schande, denn ihre gelösten Flechten waren von seltener Schönheit. Ihr Mund war leicht verkniffen, während sie sich der Aufgabe widmete, ihn zu überzeugen, ihrem Plan zuzustimmen.
    Raine vermutete, dass das

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