Raine der Wagemutige
Bett geworfen.
Aber in einem Punkt hatte sie sich geirrt. Es wäre nicht aus Rache geschehen.
Er war schon so oft benutzt und betrogen worden, dass ihr kleiner Verrat gar nicht auf seiner Liste mit den denkwürdigsten Vorfällen dieser Art erschien. Es war wirklich amüsant, dass sie den Stachel der Schuld so deutlich spürte. Den frommen Schwestern musste man Anerkennung zollen.
Nein, er hätte sie genommen, weil ihn nach ihr verlangte.
Die Lust und das Verlangen, das er im Zaum gehalten hatte, seit sie ihn verlassen hatte, brach sich mit zerstörerischer Gewalt Bahn. Er holte tief Luft, seine Muskeln verspannten sich. Er hatte ihr nicht verraten wollen, dass sie ihn verfolgte, dass Bilder von ihr ihn viel mehr und viel leichter zu erregen vermocht hatten als williges Fleisch und kundige Münder. Er hatte nicht vorgehabt, sie mit diesem besonderen Wissen auszustatten.
Auf der anderen Seite war sie so unschuldig, dass sie keine Ahnung hatte, was für eine Waffe er ihr mit diesem Wissen ausgehändigt hatte.
Er runzelte die Stirn. Wie war nur diese unerfindliche Mischung aus Unschuld und Erfahrung zu erklären? Dieser offene, freimütige Blick und die abgefeimten Lügen? Sie war ein Rätsel, und mehr noch, es hatte etwas Erregendes. Beinahe so erregend wie ihr süßer kleiner Körper.
Er spürte wieder die samtige Haut ihres Busens, die üppige Nachgiebigkeit ihrer Lippen und durchlebte erneut jenen einfachen Kuss.
Er wollte mehr.
Doch, Hölle und Verdammnis, ihr Name war Favor McClairen, sie war ein Mädchen, das jedes Recht der Welt hatte, ihn zu hassen und ihm den Tod zu wünschen. Das eine Mädchen auf der Welt, dem er verpflichtet war, auf jede Weise zu helfen, die ihm zur Verfügung stand.
Das Mädchen, dessen Leben er zerstört hatte.
12. KAPITEL
„Schafft ihn zum Tor!“
Die Seile, mit denen seine Handgelenke zusammengebunden waren, zogen sich mit einem Ruck zusammen und rissen ihn von den Füßen. Er landete mit dem Gesicht zuerst auf der von Raureif überzogenen Erde, und die scharfen, eiskalten Steine schnitten ihn in Kinn und Stirn. Er besaß nicht einmal mehr die Kraft, den Kopf zur Seite zu wenden.
„Los, hoch mit dir, du englischer Bastard! Los! Hoch mit dir, du widerwärtiger Abschaum, du Nonnenschänder!“ Ein kräftiger Fußtritt und ein bohrender Schmerz in seiner Seite, als brach, was zuvor nur angeknackst gewesen war. Er stöhnte. Das war alles, wozu er noch in der Lage war. Hände packten seine Arme, rissen ihn auf die Füße. Er strauchelte. Mehr Hände griffen nach ihm, halb zerrten sie, halb trugen sie ihn zu dem Torbogen vor dem alten Turm. Dort ließen sie ihn unter den Zacken des hochgezogenen Fallgitters schwankend und fast schon bewusstlos stehen. Ellbogen und Fäuste trafen ihn, er wurde angerempelt und geschubst; ärgerlich erhobene Stimmen gellten, dass ihm die Ohren klangen; der Gestank verschwitzter Körper und der dicke Rauch von Fackeln aus grünem Holz nahmen ihm fast die Luft zum Atmen.
Ein schwach metallischer Geschmack hatte sich in seinem Mund ausgebreitet. Blut war auf seinen aufgeplatzten Lippen getrocknet. Blut tropfte von seinem Kinn. Blut vernebelte ihm vor einem Auge die Sicht, und Blut zierte in hässlichen Flecken sein Hemd.
„McClairen!“ Sie schrien jetzt, die Stimmen im Triumph erhoben. „McClairen! Kommt heraus! Kommt zu uns!“
Über sich hörte er eine schwache Frauenstimme antworten: „Was ist? Was wollt Ihr?“
Von einer Hand bekam er einen Stoß zwischen die Schulterblätter versetzt, und er stolperte vorwärts, fiel auf die Knie. Hinter ihm erschallte eine harte Stimme: „Wir sind gekommen, den McClairen zu holen!“
Er blinzelte und sah eine hagere, in Lumpen gehüllte Gestalt unbestimmten Alters, deren Gesicht derart von Wut verzerrt war, dass man nicht nur nicht sagen konnte, ob es einer Frau oder einem Mann gehörte, sondern auch aller Menschlichkeit beraubt war. Ihr Stock war der erste gewesen, der unter den Schlägen auf seinen Rücken zerbrochen war.
„Es gibt keinen McClairen-Clan mehr“, erwiderte die Stimme über ihm, dieses Mal noch schwächer.
„Nay, Mylady, Ihr irrt!“ widersprach ein Mann. „Denn wir sind dieser Clan. Die Engländer mögen uns aus unseren Häusern verjagen und uns in unseren eigenen Scheunen verbrennen. Sie mögen uns wie die Meute die Hasen gehetzt haben, aber wir haben überlebt. Wir sind McClairen, und wir haben dem Laird einen englischen Frauenschänder gebracht, um ihn die schottische Form
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