Raine der Wagemutige
abgewiesenen Verehrern war. Doch jetzt sah sie einen gefährlichen Mann vor sich, und seine Miene verriet, dass er sich ihres Spottes sehr wohl bewusst war.
Sie beeilte sich, auf die Füße zu kommen, doch ihre weiten Röcke behinderten sie bei ihrem Bemühen. Seine dünnen Finger schlossen sich um ihren Oberarm.
„Erlaubt mir, dass ich Euch aufhelfe.“ Unterstützt von ihm erhob sie sich, und ihr fiel auf, dass sein Griff viel kräftiger war, als es seine schmale Gestalt vermuten ließ.
Sie bedankte sich leise, und dieses Mal war sie es, die mit einem spöttischen Blick bedacht wurde. Er ließ sie nicht los.
„Lady Fia hat einen mächtigen Vater“, sagte Lord Tunbridge. „Das gewährt ihr für ihr Benehmen einen großen Spielraum, den andere auf keinen Fall für sich beanspruchen sollten, denn sie können sich nicht ebenso darauf verlassen, dass ihre höhnischen Bemerkungen ungestraft bleiben.“
Sie war eine Närrin gewesen, und jetzt musste sie die Situation retten. „Ihr habt Recht“, entschuldigte sie sich. „Es war unverzeihlich von mir.“
„Unverzeihlich.“ Er sagte das Wort langsam, prüfend, abfällig. Sein Griff festigte sich. „Dumm.“
„Das wohl auch.“ Sie stimmte ihm rückhaltlos und aus vollem Herzen zu. Ihre Gedanken überschlugen sich, um einen Weg zu finden, wie sie der Gefahr entrinnen könnte. „Ich habe, ohne nachzudenken, zugestochen. Doch das liegt nur daran, dass ich letzte Woche eine Abfuhr erhalten habe von jemandem, an dem ich . . . ich interessiert bin. Nach einer Zurückweisung neigt man zu spitzen Bemerkungen. “ Damit war es ihr gelungen, ihn unvorbereitet zu erwischen. Der Griff seiner Finger lockerte sich. „Ihr?“
Sie schaute an ihm vorbei, als ob ihr Stolz sie daran hinderte, ihm in die Augen zu schauen. „Ja. Ich.“
„Aber von wem?“ fragte er, offensichtlich überrascht. „Ihr habt mit nichts verraten, dass Ihr einen aus der Schar Eurer Bewunderer bevorzugt. Genau genommen gibt es sogar ein Wettbuch, in dem man darauf wetten kann, welcher Mann als Erster . . .“
Er brach ab. Augenscheinlich besaß sogar Tunbridge noch einen Rest Anstand, denn ganz eindeutig bereute er, dass er, wie Favor vermutete, verraten hatte, dass Wetten auf den Mann abgeschlossen wurden, der sie zuerst ins Bett bekäme. Nicht dass so etwas für sie von Bedeutung wäre. Es sei denn, sie konnte es zu ihrem Vorteil nutzen.
„Als Erster was?“ hakte sie süßlich nach, erfreut darüber, ihn aus dem Gleichgewicht gebracht zu haben. „Sollen wir sagen, in meine Abwehr ,eine Bresche zu schlagen'?“ Sie wand sich in seinem Griff, und er ließ sie los.
„Ja“, räumte er ein.
„Ich würde von Euch und Euresgleichen nicht erwarten, dass ihr ihn kennt, meinen ..." Favor ließ den Satz unvollendet. „Er ist keiner von Euch.“
Tunbridge starrte sie einen Augenblick lang an, bevor er in schallendes Gelächter ausbrach. „Sagt jetzt nicht, er ist ein Reitknecht oder ein Stallbursche? Kein Lakai! Guter Gott, Ihr seid eine zweite Lady Orville, nicht wahr?“ „Nein!“ entgegnete sie scharf.
Tunbridges Belustigung verflog. Ein berechnendes Funkeln trat in seine Augen. „Ich könnte eine hübsche Summe
Geld einstreichen, wenn ich den Namen des Kerls wüsste, der Eure Zuneigung gewonnen hat, Miss Donne.“
Natürlich. Es mochte ein Vergnügungspalast sein, aber vor allem war Wanton's Blush eine riesige Spielhölle. Und Lord Tunbridge gehörte zu den leidenschaftlichsten Spielern.
„Ihr. . . Ihr Wüstling!“ keuchte Favor aufgebracht, der die Richtung nicht im Geringsten missfiel, die die Unterhaltung nahm. Sie hatte geschickt eine möglicherweise hässliche Auseinandersetzung vermieden und indem sie das tat, eine perfekte Gelegenheit gefunden, Carr weiter an sich zu binden.
Alles, was sie nun tun musste, war Carrs Namen als den ihres ersehnten Verehrers zu nennen. Tunbridge, der darum bemüht war, das Wohlwollen von Lady Fias Vater zu erringen, würde augenblicklich mit den Neuigkeiten zu ihm rennen. Welcher Mann konnte schon dem Wissen widerstehen, das Objekt der Sehnsucht einer Frau zu sein?
„Was hieltet Ihr davon, wenn wir uns den Gewinn teilen?“ schlug Tunbridge hinterlistig vor.
Sie keuchte auf. Nicht, weil sie entsetzt war, sondern weil ihr nichts anderes einfiel. Sie konnte Carrs Namen auf keinen Fall so leicht verraten. Nicht, wenn sie wollte, dass man ihr glaubte. Favor, die so begabt im Geschichtenerfinden war wie ein Minnesänger, wusste um den Wert des
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