Raine der Wagemutige
Bier vor sich.
„Aber was meint Ihr, wie dumm die McClairen später geguckt hätten, wenn sie den Jungen gehängt hätten“, kicherte Davie.
„Warum sagt Ihr das?“ fragte der große Mann dumpf. „Weil es sich später herausgestellt hat, dass Merrick niemandem Gewalt angetan hatte!“
„Was?“
Davie nickte. „Merry McClairen, das Mädchen, mit dem sie ihn erwischt hatten, hat ein paar Jahre später gestanden, dass Raine Merrick ihr Geliebter war. Die junge Nonne hat erklärt, sie könne mit der Lüge nicht länger leben.“ „Was haben sie mit ihr gemacht?“
„Mit ihr gemacht?“ Davie sah verwirrt aus. „Nichts. Zum einen natürlich weil kaum noch jemand da war, der etwas hätte tun können, und zum anderen . . . was kann man gegen eine Mutter Oberin schon ausrichten?“
Der Fremde riss seine sherryfarbenen Augen weit auf. „Ihr scherzt.“
„Nein“, bestätigte Franny Davies Geschichte. „Mutter Perpetua Augusta des Ordens des Heiligen . . . ach! Irgendeinem Heiligen. Sie leitet den Konvent, auch wenn sie noch jung ist. Das Kloster liegt ungefähr einen halben Tagesritt südlich von hier. Wir reden hier nicht viel darüber, niemand erwähnt die Abtei, Mutter Augusta oder ihren zahmen Priester.“
Der Fremde lächelte erst, dann begann er lauthals zu lachen. „Himmel, wenn auch sonst nichts, dann hat Euer Raine Merrick ja wahrhaft teuflisches Glück.“
„Da er der Erbe eines Teufels ist, macht das doch Sinn, oder?“ sagte Fran, wider Willen von der ganzen Geschichte gefesselt.
„Ah, ja. Carr, der teuflische Earl“, sagte der hoch gewachsene Mann. „Von dem habe ich schon gehört.“
„Ihr und jeder andere“, erklärte Davie selbstzufrieden. „Aber ich kenn ihn. Und Raine.“
Fran nickte wehmütig. „Aye. Es ist schon traurig. Raine war nicht böse, wisst Ihr, nur . . . irgendwie vergiftet.“ „Für einen Brandy erzähle ich Euch noch einiges mehr von ihm, Mister . . .“, schlug Davie vor.
Fran, die von ihren wehmütigen Erinnerungen an verflossene Liebhaber abließ, entschied, dass es an der Zeit war, sich wieder den gegenwärtigen zuzuwenden. „Hau ab, Davie Duff!“ rief sie. „Bist hier nicht erwünscht. Der Gentleman und ich sind uns schon recht nahe gekommen . . . deine Gesellschaft ist überflüssig. Außerdem, wer will schon Geschichten über irgendeinen armen Jungen hören, der längst tot ist?“
„Wirklich, warum?“ murmelte besagter Gentleman und lächelte in seinen leeren Krug. „Am besten geht Ihr jetzt, Davie.“
Solchermaßen zweifach abgewiesen, griff sich Davie sein Bier vom Tisch und presste den Becher an seine Brust. „Ah, jetzt, wo ich Euch aus der Nähe sehe, erkenne ich deutlich, dass Ihr ihm überhaupt nicht ähnlich seht“, sagte er, und mit dieser im Gehen hingeworfenen Bemerkung schlurfte er zurück zu seinen ursprünglichen Kumpanen.
Schließlich kam der Wirt an ihren Tisch und stellte zwei randvolle Krüge auf die klebrige Oberfläche. Der Fremde drückte Fran einen davon in die Hand. Sie zwängte ihren Schenkel zwischen seine Beine und rutschte tiefer auf seinen Schoß.
„Ah“, hauchte sie, und ihre Augen funkelten angesichts dessen, was sie entdeckt hatte. „Da seid Ihr ja. Ich habe mich schon gewundert, wann Ihr Euch bemerkbar machen wollt, wenn Ihr versteht, was ich meine.“
Er kam mit seinem Mund dicht an ihr Ohr. „Ich würde mich lieber besser bekannt machen, Franny. “
Sie warf einen Blick zur Tür, die zu dem einzigen Privatzimmer führte, das das Wirtshaus sein Eigen nannte. „Verflucht, ich würde Euch auch gerne näher kennen lernen . . . aber ich habe Arbeit zu erledigen. “
Er kitzelte sie unter dem Kinn. „Es sind nicht so viele Gäste hier, dass man Euch vermissen würde, wenn Ihr eine Weile fort wärt.“
„Eine kurze Weile?“ fragte sie, stark in Versuchung geführt.
„Wenn ich mich bekannt machen will, dann verlange ich genug Zeit, das in angemessener Art zu tun. Ich hasse es, die Dinge zu überstürzen.“
Das erging ihr ebenso, aber sie war immer stolz auf ihre praktische Veranlagung gewesen, und wenn dieser junge Spund mehr als eine Viertelstunde ihrer Zeit beanspruchen wollte, dann würde er sie erst davon überzeugen müssen. „Es ist schade, dass Vergnügen einem nicht die Miete bezahlen kann.“
An seiner Reaktion war nichts allzu Offenkundiges. Nichts so Auffälliges wie eine Grimasse, doch etwas wie
Bedauern legte sich über seine Züge. Trotzdem flüsterte er: „Vergnügen vielleicht
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