Rainer und die Puppenmutter
Jüngling überlegend an.
„Wenn der bloß nicht immer so frech wäre“, wandte er ein.
„Das wird sich schon legen“, erklärte Fräulein Jüngling zuversichtlich.
„Ich könnte ihn vielleicht mal fragen, ob bei ihm die Sägeblättchen auch so schnell zerbrechen wie bei mir.“ Heinz strahlte über sein Vollmondsgesicht und nickte eifrig mit dem Kopf. Die Haare, die ihm immer ein bißchen zu Berge standen, wippten lustig mit.
Dita schlich leise und traurig davon und setzte sich in ihre Bank. Alles machten sie ohne sie. Das schmerzte sie sehr.
Dita schippt Schnee
Gleich nach der letzten Unterrichtsstunde rannte Dita aus dem Schulhaus, ohne auf ihre Freundinnen zu warten, wie das sonst üblich war.
Erhitzt kam sie in der Fischbachstraße an. Schon von weitem sah sie, daß sich Frau Niggelmann mit dem hohen Schnee abmühte. Und wie krumm sie dabei einherschlich! Wie sie sich anstrengen mußte!
Dita warf ihren Schultornister in den Hauseingang und lief zu der Hauswartsfrau.
„Jetzt mache ich das, Frau Niggelmann!“ rief sie.
„Ach“, brabbelte die geplagte Frau, „du hast es heute früh auch versprochen...“
„Da — da — da konnte ich nicht. Aber jetzt habe ich Zeit. Greben Sie mir die Schippe, bitte!“
Sie nahm der Hauswartsfrau die Schippe aus der Hand. Frau Niggelmann war’s zufrieden.
„Da will ich mal inzwischen meine Tiere füttern“, stöhnte sie und ging schlurfend davon.
Dita aber schaffte wie wild. Einen Streifen Schnee nach dem anderen schob sie an den Straßenrand. Sie schwitzte schon ganz gehörig! Darum zog sie auch ihre rote Windjacke aus und legte sie im Hauseingang auf den Schultornister.
Mit frischen Kräften ging sie dem Schnee wieder zu Leibe. Die Hälfte des Gehweges vor dem Haus mußte sie unbedingt schaffen, bevor Bällchen und Bübchen kamen.
Dita konnte ja nicht wissen, daß Bällchen und Rübchen einen Umweg gemacht hatten. Bällchen mußte nämlich für ihre Mutti ein Kleid bei der Schneiderin abholen. Und Bübchen begleitete sie auf diesem Wege.
In Strömen rann Dita der Schweiß übers Gesicht. Auch die Handschuhe hatte sie schon längst abgelegt. Nun kam auch noch der blau und gelb gestreifte Pullover dran.
Dita arbeitete in der langärmeligen, karierten Bluse weiter. Für einen Augenblick fröstelte sie; denn der Wind pfiff heftig durch die Straße. Und sie war ja am ganzen Körper naßgeschwitzt.
Die Abreibung
Schon war die Hälfte des Gehweges geschafft, und Bällchen und Bübchen zeigten sich noch immer nicht.
Dafür schlenderten Rainer und Rolf um die Ecke beim Bäcker Ungewitter.
„Die schindet sich, als ob sie dafür bezahlt kriegte“, sagte Rolf und schob seine Unterlippe noch weiter vor. Er sah immer aus, als wäre er mit der ganzen Welt unzufrieden.
„Und schwitzen tut sie. Guck — die glänzt wie eine Speckschwarte. Wir müssen sie mal abkühlen“, meinte Rainer und sah sich vorsichtig um.
Dita schrie auf, als der erste Schneeball sie am Arm traf. Die jähe Kälte erschreckte sie so, daß ihr die Knie ganz weich wurden.
Sie drehte sich um und drohte den beiden Jungen. „Laß das sein, Rainer, ich sag’s deinem Vater!“
„Klatschbase!“ schrie Rainer und kam ein paar Schritte näher. Rolf dagegen murmelte etwas vor sich hin und verdrückte sich.
„Strolch!“ gab Dita dem Jungen die Beleidigung zurück.
„Puppenliese! Puppenliese!“ antwortete Rainer höhnend und stellte sich herausfordernd vor Dita.
„Geh weg!“ sagte sie. „Geh weg, du — du Lausejunge! Halte mich nicht von der Arbeit...“
Lausejunge! Das war zuviel für Rainer. Seit er in dieser Stadt wohnte, hatte er das Wort schon von vielen Leuten hören müssen. Aber von so einer dummen Puppenliese, die einen ganz albernen Kindergarten haben sollte, ließ er es sich nicht gefallen!
Schnell beugte er sich nieder, schaufelte beide Hände voll Schnee und stürzte sich auf Dita. Er rieb ihr die Wangen und die Nase, das Kinn und die Stirn ein, daß das kalte Weiß nur so stiebte. Dita mochte quietschen und um sich schlagen, kratzen und beißen, soviel sie wollte. Rainer war viel stärker als sie!
Das Schneewasser lief Dita über den Rücken und über die Brust. Eiskalt war es, so eiskalt, daß sie glaubte, sie müßte erstarren. Sie wehrte sich nur noch schwach.
Da ließ Rainer plötzlich von ihr ab und stürmte ins Haus. Auf der Straße kamen Bällchen und Rübchen heran. Dita griff schnell nach der Schneeschippe. Sie fror entsetzlich. Nichts mehr von der
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