Rainer und die Puppenmutter
Erkältung holen! Nein, so ein Leichtsinn! Bei der Kälte und dem scharfen Wind draußen! Nur in der Bluse! Sich so naßzuschwitzen!“
Das Mittagessen schmeckte Dita an diesem Tage gar nicht, obwohl es eines ihrer Lieblingsgerichte gab: Makkaroni mit sehr viel Schinken darin.
Am Nachmittag, bei den Schularbeiten, tat es Dita leid, daß sie Bällchen so angeschrien hatte. Wenn 6ie ihr nicht half, würde Bällchen am nächsten Tag sicher eine Vier im Rechnen bekommen. Im Rechnen war sie eben sehr dumm! Aber dann dachte Dita wieder daran, daß Bällchen und Rübchen sie ausgelacht hatten, weil sie ganz allein den Gehweg freigeschippt hatte!
Wenn Bällchen zu ihr kam, wollte sie ihr helfen. Aber hingehen zu ihr, hinunter ins erste Stockwerk? Nein, das hatte sie doch nicht nötig! Sie, die beste Schülerin der Klasse 3 b!
Während sie so saß und ihre Aufgaben löste, wurde ihr auf einmal ganz komisch im Kopfe. Gerade war ihr noch kalt gewesen. Und nun schien plötzlich ein Feuerchen in ihrem Kopf zu brennen.
Dita strich sich über die Stirn. Das Feuerchen ließ sich nicht auslöschen. Im Nu aber verwandelte es sich in einen Eisklumpen. Im Kopf war es kalt und leer. Die Zähne machten, was sie wollten, und schlugen — glickglickglick — aufeinander. Dann ging alles vorüber, nur die Leere im Kopf blieb noch eine Weile. Dita zerkaute das Bleistiftende, bevor sie eine einfache Aufgabe herausbekam.
Nach den Schularbeiten versorgte sie ihre Puppen. Die kleine Resi hatte eich vollgemacht und mußte trockengelegt werden. So ein böses Kind! Der Fritz bekam die Flasche. Er verdrehte die Augen schon ganz jämmerlich. Ein richtiger verfressener Junge!
Der Puppenknabe Hubert bezog Haue, weil er die große Leni nicht in Ruh’ ließ und sich faul an sie gelehnt hatte. Überhaupt waren die Puppen heut’ unartig. Dita mußte sich dauernd über sie ärgern. Die saß nicht gerade, und jener war das Kleid verrutscht.
Zum Rodeln verspürte Dita kein bißchen Lust. Darum überlegte sie, ob sie den Kaufmannsladen aufbauen sollte. Aber so allein machte das keinen Spaß. Wenn Bällchen wenigstens wegen der Rechenaufgaben gekommen wäre!
Bällchen war zwar keine gute Puppenmutter. Sie bastelte lieber mit ihrem großen Bruder Helmut an Windmühlen und Autos. Aber wenn ihr Dita bei den Schularbeiten half, mußte sie hinterher auch mit den Puppen spielen.
Heute wäre Bällchen die Kundin gewesen und hätte mit den Puppenkindern einkaufen müssen. Und sie, Dita, hätte als Verkaufsstellenleiterin immer gesagt: „Das bekommen wir erst morgen herein“, oder „Bedaure, diese Ware führen wir nicht!“
Aber je später es wurde, um so weniger verlangte es Dita danach zu spielen. Sie fühlte sich richtig schwach. Am liebsten hätte sie sich zu ihren Puppen auf das Sofa gelegt.
Mir ist so heiß
Mitten in der Nacht wurde Mutti Holberg wach. Sie lauschte. Dann setzte sie sich im Bett auf.
Aus der kleinen Kammer, in der Ditas Bett stand, klang klägliches Stöhnen.
Frau Holberg stieß Ditas Vater an, der neben ihr schlief und ein bißchen durch die sehr große Nase schnaufte.
„Was denn? Was denn?“ brummte Vati Holberg verschlafen und wollte sich auf die andere Seite drehen.
„Hör mal!“ sagte die Mutti besorgt und knipste die kleine Nachttischlampe an.
Mit einem Ruck fuhr der Vater hoch. Er sah seiner Frau in das erregte Gesicht.
„Was — was? Wer stöhnt denn da so? Dita?“
„Ja, ja!“ rief die Mutti, sprang aus dem Bett und schlüpfte in ihre Hausschuhe.
Leise öffnete sie die Tür zu Ditas Kämmerchen. Auch der Vater erhob sich eilig. Er schaltete gleich das Licht in der Kammer ein.
Dita wälzte sich in ihrem weißen Bett hin und her — hin und her. Die Mutter beugte sich über sie.
„Kind — was fehlt dir?“ fragte sie beunruhigt.
„Oh, oh!“ jammerte Dita und riß die Augen weit auf.
Die Mutter strich ihr über die Stirn und fuhr erschrocken zurück. „Deine Stirn ist ja ganz heiß!“
„Ja — mir ist so heiß“, flüsterte Dita matt. „Und dann wieder so kalt. Ich kann gar nicht schlafen!“ Und plötzlich schüttelte sie sich heftig.
Der Vater lief ins Badezimmer und holte das Fieberthermometer aus der kleinen Hausapotheke.
Das Thermometer schob er Dita unter die Achsel. Als er es nach fünf Minuten wieder hervorzog-, schüttelte er bedenklich den Kopf und brummte: „Achtunddreißig Komma fünf! Fieber hat sie!“
„Man muß den Arzt rufen.“, sagte die Mutter. Ihr gutes, rundes Gesicht
Weitere Kostenlose Bücher