Rainer und die Puppenmutter
wahrscheinlich nicht gehört hatte, lief Bällchen, um zu öffnen.
Frau Holberg stand vor der Tür. Sie war sehr blaß.
„Ach, Bällchen“, sagte Ditas Mutter und schwenkte einen Zettel in der Hand. „Kannst du nicht schnell mal hinüber zur Apotheke laufen und diese Medizin holen? Es ist alles aufgeschrieben. Dita ist sehr krank. Ich kann nicht weg. Der Doktor war gerade...“
„Ogottogott!“ schrie Bällchen entsetzt. „Dita krank? Was fehlt ihr denn?“
Bällchen zitterte so, als wollte sie selbst krank werden.
„Sie hat hohes Fieber und weiß gar nicht, was sie redet. Sie phantasiert, verstehst du? Eine schwere Erkältung ist es“, sagte Ditas Mutter erregt.
Bällchen riß Frau Holberg den Zettel aus der Hand und rannte, so schnell sie konnte, schon die Treppe hinunter. Unten wäre sie fast über Frau Niggelmanns weißen Spitz gefallen.
„Was ist denn schon wieder los?“ schrie die Hauswartsfrau ärgerlich.
„Dita ist krank!“ rief Bällchen und stürmte auf die Straße.
Als sie aus der Apotheke zurückkam, traf sie Rainer Pilz. Er ging mit Rolf zur Schule.
„Dita ist krank“, verkündete Bällchen schon von weitem.
„So? Was fehlt ihr denn?“ wollte Rainer wissen.
„Fieber! Fünfzig Grad Fieber! Schwere Erkältung!“ gab Bällchen im Vorbeilaufen Auskunft.
„Soll sie mal schwitzen!“ riet Rainer. „Ich hab’ auch mal ’ne schwere Erkältung gehabt. Aber im Sommer. Da ist das viel schlimmer!“
Dita erkennt Bällchen nicht
Bällchen jagte die Treppe hinauf. Frau Holberg erwartete sie an der Wohnungstür und nahm aufatmend die Medizin in Empfang.
„Darf ich mal zu Dita?“ fragte Bällchen bittend.
„Sie wird dich nicht erkennen“, sagte die Mutter mit unterdrückter Stimme und ließ Bällchen eintreten.
Bällchen konnte sich gar nicht vorstellen, daß Dita sie nicht erkennen könnte. Ob Dita noch böse war wegen gestern und sie darum nicht sehen wollte? Aber so schlimm war das doch wirklich nicht gewesen! Sie hatte eben lachen müssen, weil Dita alles allein gemacht hatte, obwohl es zu dreien viel besser ging. Besonders wenn Rainer mithalf.
Auf den Zehenspitzen trat Bällchen an Ditas Bett.
„Dita“, sagte sie ganz leise.
Dita schlug die Augen auf und sah Bällchen an. Die Augen glänzten wie blankgeputzte Glaskugeln. So glänzende Augen hatte Bällchen noch nie gesehen.
„Guten Tag, Dita. Bist du sehr krank?“ fragte Bällchen flüsternd.
„So viel Schnee — Schnee...“, stammelte Dita, und dann machte sie die Augen wieder zu.
„Siehst du — sie erkennt dich nicht.“ Mutti Holberg legte Bällchen den Arm um die Schultern. „Das ist so, wenn man Fieber hat. Aber heute nachmittag wird das Fieber wohl zurückgegangen sein.“
Bällchen begann plötzlich laut zu schluchzen.
Das war ja furchtbar. Dita erkannte sie nicht mehr. Sie erkannte sie nicht — obwohl sie zusammen in eine Klasse gingen und oft mit den Puppen spielten. Und bei den Rechenaufgaben half ihr Dita auch immer. Und jetzt hatte Dita sie angeguckt, als wäre sie eine ganz Fremde.
Ach, wie leid ihr die liebe Dita tat!
Frau Holberg tröstete Bällchen und sagte, daß es bald besser werden würde. Dann gab sie Bällchen einen Entschuldigungszettel für die Lehrerin mit und ließ sie aus der Wohnung.
Ist Rainer schuldig?
Bällchen kam einige Minuten zu spät in die Schule. Fräulein Jüngling war schon im Klassenzimmer. Der Unterricht sollte gerade beginnen.
Aufgeregt erklärte Bällchen, warum sie zu spät käme und wie krank Dita sei.
Alle Kinder redeten durcheinander und wollten Genaueres wissen.
„Nun setzt euch erst einmal hin. Bällchen wird uns der Reihe nach von Ditas Krankheit berichten“, sagte die Lehrerin.
Langsam wurde es ruhig.
Aber so viel zu erzählen wußte Bällchen gar nicht. Doch als sie davon sprach, daß Dita sie nicht erkannt hatte, mußte sie wieder weinen. Auch Bärbel Melhose schluchzte laut auf, und Sylvia Guckel drückte sich das Taschentuch an die Augen. Als Bällchen ihren traurigen Bericht beendet hatte, rief Rübchen, die doch sonst immer so still und bescheiden war: „Das kommt, weil der Rainer die Dita mit Schnee eingerieben hat!“ Und nun erklärte Rübchen, daß sie gestern gerade noch gesehen hätte, wie Rainer Pilz der Dita das Gesicht mit Schnee eingerieben hatte. Dann war er ausgerissen. Dita war ganz naß gewesen und hatte nur in der Bluse auf der Straße gestanden..
„Aber er hat das doch nicht gemacht, damit Dita krank wird!“ sagte
Weitere Kostenlose Bücher