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Rajin (Drachenfluch Erstes Buch) (DrachenErde - 6bändige Ausgabe) (German Edition)

Rajin (Drachenfluch Erstes Buch) (DrachenErde - 6bändige Ausgabe) (German Edition)

Titel: Rajin (Drachenfluch Erstes Buch) (DrachenErde - 6bändige Ausgabe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Wahrheit der letzte Zipfel des Reichs war, der sich noch nicht ergeben hatte?
     
     
    Wulfgar streifte durch einen Ort, in dem nicht mehr viel Leben herrschte. Rauchschwaden krochen durch die Gassen, und man konnte häufig kaum die Hand vor Augen sehen. Manchmal tauchten unvermittelt drachenische Fußsoldaten auf. Dann zögerte Wulfgar nicht lange, sondern hieb sofort drauflos, spaltete Schädel, ließ Köpfe rollen oder stieß die Klinge des mächtigen Beidhänders in die Körper seiner Gegner. Auch wenn sie Harnische aus einem recht widerstandsfähigen Metall trugen, so gab es durchaus Schwachstellen in ihrer Rüstung, die Wulfgar mit kalter Grausamkeit ausnutzte.
    Konnte er seine volle Kraft in einen Hieb legen, durchdrang seine Klinge zumindest die Harnische der einfachen Soldaten. Anders war es bei den drachenischen Offizieren, deren Rüstung ungleich besser war. Doch auch bei ihnen reichte häufig ein Schlag gegen den Brustkorb, um dem Gegner so lange den Atem zu nehmen, dass man ihm mit dem zweiten Hieb den Kopf vom Rumpf trennen konnte. Selbst wenn Nacken und Hals durch breite, mit Metallplättchen versehene Lederriemen geschützt waren, brach ein Schwerthieb mit dem Beidhänder in jedem Fall das Genick des Gegners.
    Wulfgar steigerte sich schließlich in eine blutige Raserei. Er wusste, dass er auf verlorenem Posten kämpfte. Die Schlacht – so man nicht besser von einem Massaker sprach – neigte sich dem Ende, und die Seemannen von Winterborg waren einem übermächtigen Gegner erlegen.
    Für Wulfgar ging es nur noch darum, so lange wie möglich durchzuhalten, um so viele Feinde wie möglich mit in den Tod zu nehmen.
    Njordir gestattete niemandem Einlass in sein nasses Reich, der im Kampf zu früh aufgab oder gar sich selbst das Leben nahm. Er verübelte es jedem Sterblichen, der sich zu schnell den schmeichelnden Einflüsterungen Ogjyrs ergab. Aber der göttliche Herr über Leben und Tod war auch kein Ratgeber, auf den Wulfgar zu hören beabsichtigte. Den dahingemetzelten Männern, Frauen und Kindern von Winterborg war er es schuldig, dass er Rache übte, so blutig er nur konnte. Aus welchem Grund die Drachenier diesen Ort am Rande von Fjendurs kaltem Reich auch immer angegriffen hatten, sie sollten einen angemessen hohen Preis dafür zahlen.
    Hustend taumelte Wulfgar weiter, nachdem ein halbes Dutzend drachenische Fußsoldaten unter seinen wütenden Schwerthieben gestorben waren. Ihr Blut troff von der Klinge seines Beidhänders, als er den sterbenden Glednir Freistirn entdeckte. Er lag halb aufgerichtet, mit dem Oberkörper gegen die Wand eines Kesselhauses gelehnt. Der rechte Arm war ihm abgetrennt worden. Die Hand umklammerte noch krampfhaft den Griff seines Schwerts, das ungefähr zwei Schritte von ihm entfernt im Staub der Gasse lag.
    Der Drachenier, der das getan hatte, war darüber nicht allzu lange glücklich gewesen. Er lag ausgestreckt da, das blutige, leicht gebogene Schwert drachenischer Machart noch in der Linken und in der Rechten einen Schild. In seinem Gesicht steckte jedoch das Blatt eines Wurfbeils, das Glednirs Runenzeichen trug. Knapp unterhalb der Augen und rechts der Nase war die Axt in den Kopf des Dracheniers eingedrungen. Die weit aufgerissenen, erstarrten Augen waren mit Blut gefüllt. Rot rann es auch aus Mund und Nase.
    Wulfgar kniete bei Glednir nieder, der vergeblich seine noch vorhandene Linke gegen den Armstumpf presste, um den Blutfluss zu stillen. Aber sein roter Lebenssaft rann ihm heiß und klebrig zwischen den Fingern hindurch.
    „Glednir!“, rief Wulfgar außer sich.
    Glednir blickte auf. Er zitterte. Er musste ungeheure Schmerzen leiden. Dennoch huschte ein mattes Lächeln über das harte, leicht grobschlächtige Gesicht des tapferen Kriegers. „Es wäre …“ Er musste eine Pause einlegen, bevor er schließlich sehr leise weitersprach: „… besser, wenn es … Winter wäre …“
    Wulfgar verstand sofort, was Glednir meinte. Im Winter, wenn der eisige Wind aus dem Nordwesten über die Häuser Winterborgs blies und die kalten Mächte Fjendurs alles in ihrem unerbittlichen Griff hatten, spürte man die Schmerzen von Verwundungen weniger.
    „Glednir …“, murmelte Wulfgar.
    „Dein Sohn … Wulfgarskint …“
    „Hast du ihn gesehen?“
    „Schnee …“
    „Was?“
    „Schnee … Ratten … Schnee …“
    Mit diesen gestammelten Worten brach Glednirs Blick, und sein Gesicht wurde starr.
    Ein weiterer treuer Gefolgsmann hatte Wulfgar verlassen.

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