Rajin (Drachenfluch Erstes Buch) (DrachenErde - 6bändige Ausgabe) (German Edition)
Seemanne!“, wies ihn Rajin zurecht und riss an Bratlors Mantel, sodass der ihm zögernd folgte. Sie stolperten die letzten Stufen hinunter und liefen so schnell sie konnten vor dem gleißenden Licht davon. Dabei entfernten sie sich von der Linie der Steine, die den Weg zwischen dem schwarzen Felsen und dem Eingang der Orakelhöhle markierten, und hetzten hinein in die hart gefrorene Senke. Die kalte Luft schnitt schmerzhaft in ihre Lungen. Ein Rauschen war hinter ihnen zu hören, und gleichzeitig erreichte sie ein warmer Hauch.
Plötzlich blieb Bratlor stehen, wandte sich um und starrte zum Lichtbogen zurück.
Auch Rajin erstarrte, als er sah, was sich unter dem Lichtbogen zeigte. Er schützte die Augen mit der Handfläche, um nicht zu sehr geblendet zu werden.
„Es ist eines der kosmischen Tore!“, rief Bratlor ergriffen. „Ja, das muss es sein! Ich habe in alten Schriften in Seeborg darüber gelesen. Die Legenden, wie die Drachen und die Magier durch die Tore auf diese Welt kamen und sie sich Untertan machten. Und schließlich auch die Menschen … Ihr Götter!“
„Ja“, flüsterte Rajin kaum hörbar und sehr ergriffen. Jedes Volk erzählte seine eigenen Legenden über die Tore, und es war inzwischen wohl unmöglich zu unterscheiden, was davon in all den Äonen der erfindungsreichen Fantasie der Legendensänger entsprungen war und was der Wahrheit entsprach.
Innerhalb des Lichtbogens waren auf einmal ein Meer und die Küste einer Insel zu sehen, an der sich die verfallenen Mauern einer mächtigen Ruinenstadt als dunkle Silhouette erhoben. Jenseits dieser Insel ging bereits die blutrote Morgensonne auf. Meeresrauschen war zu hören, und man hatte den Eindruck, die Wellen müssten ihre Wassermassen über die kalte Senke ergießen.
Aber das taten sie nicht. Genau dort, wo sich die Linie der Markierungssteine befand, war eine unsichtbare Grenze, die das Wasser nicht überschritt, auch wenn es ansonsten gegen alle Naturgesetze zu verstoßen schien. Es sah aus, als ob eine Wand aus besonders klarem Feuerheimer Glas dieses fremde Meer vom Rest der Senke trennte.
„Ihr Götter, wenn ich je an eurer Macht gezweifelt haben sollte …“, murmelte Bratlor.
Der grelle Schein des Lichtbogens beleuchtete auch das geheimnisvolle Meer auf der anderen Seite des Tores. Der Bogen spiegelte sich deutlich im Wasser, und ein warmer Lufthauch wehte den Geruch von Seetang und Salz herüber.
Ein dunkler Schatten näherte sich von der Ruinenstadt her, und Rajin und Bratlor erkannten die Umrisse weit gespannter Drachenflügel. Ein Feuerstrahl züngelte aus dem Maul der Bestie.
„Was geht hier nur vor?“, fragte Rajin laut und ziemlich ratlos.
„Vertrau mir!“, hörte er die Stimme des Weisen Liisho in seinem Kopf, dessen Gesicht noch immer auf der Oberfläche des schwarzen Felsens zu sehen war, wo es allerdings zusehends verblasste. Es wurde undeutlich und verwischte schließlich zu einem konturlosen Lichtfleck.
Rajin zog sein Schwert und versuchte seine innere Kraft zu sammeln – denn ganz gleich, was der Weise Liisho ihm auch einzuflüstern versuchte, er hatte mit Drachen in letzter Zeit schlechte Erfahrungen gemacht, und außerdem fragte er sich, ob es überhaupt ratsam war, den Ratschlägen des geheimnisvollen Weisen zu folgen.
Bratlor nahm seinen Reflexbogen und legte einen Pfeil auf die Sehne. Auch ihm war der Drachenangriff auf Winterborg noch lebhaft in Erinnerung.
Ein ohrenbetäubender dröhnender Laut drang von der anderen Seite des Tors herüber, so tief, dass Rajin nicht nur ein unangenehmes Drücken in der Magengegend verspürte, sondern er sogar fühlen konnte, wie der gefrorene Boden unter seinen Füßen erzitterte. Risse und kleine Spalten bildeten sich.
„Was immer du auch für Kräfte herbeigerufen hast, als du den roten Drachen besiegtest“, rief Bratlor seinem Freund zu, „ich kann dich nur beschwören, sie auch diesmal einzusetzen, sonst sind wir verloren!“
Je weiter sich der Drache näherte, desto deutlicher wurde offenbar, was für ein gigantisches Exemplar seiner Art er war. Er hatte vom Kopf bis zum Schwanz sicherlich die doppelte Größe wie jene beiden geflügelten Angreifer, die Winterborg heimgesucht hatten. Der Lichtbogen strahlte ihn an, und so war die charakteristische Körperzeichnung zumindest zeitweise gut zu erkennen: schwarze und rote Kreise auf einer gelben Schuppenhaut.
Rajin zuckte zusammen, als hätte ihn ein Faustschlag getroffen. Diese Zeichnung kannte er nur zu
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