Raketenmänner (German Edition)
ich?«
»Hackfleisch. Ich wollte eine Bolognese-Sauce machen.«
»Ach so. Na gut, ich will dich nicht aufhalten.«
Frohnberg beendete das Gespräch etwas abrupt, da der Maulwurf drauf und dran war, aus seinem Gesichtsfeld zu verschwinden. Er wollte nicht riskieren, dass das Tier durch den Gang neben dem Haus bis zur Straße getrieben wurde. Er erwischte es, als es sanft gegen den Holzzaun zum Nachbargrundstück schlug.
Frohnberg musste sich beeilen. Er brauchte Hackfleisch. Seine Frau würde die Kinder ganz sicher fragen, wie das Essen, das der Papa gekocht hatte, denn gewesen sei. Und wenn dann nicht von Bolognese die Rede wäre, würde das nur zu unnötigen Fragen führen.
Er nahm die Schaufel, ging bis zum hinteren Zaun, hob neben dem verblühten Flieder schnell ein Loch aus und legte den Maulwurf hinein. Beziehungsweise: stellte ihn hinein. Der Ballon hielt immer noch die Hinterbeine des Tieres hoch. Frohnberg eilte ins Haus, um eine Schere zu holen, schnitt damit die Kordel durch und hielt sie fest. Das Tier, nun ja, plumpste in das Loch. Plumpsen war tatsächlich das Wort, das Frohnberg dazu einfiel, ein Kinderwort. Wie brausen , wenn etwas oder jemand schnell unterwegs war.
Mit einer Hand schaufelte er Erde auf den Maulwurf, ohne ihn noch einmal anzusehen, mit der anderen hielt er den Ballon fest, der über seinem Kopf schwebte wie ein stummer Zeuge, ein Trauergast. Als Frohnberg fertig war, verharrte er ein paar Sekunden, allerdings ohne zu beten. Das wäre ihm doch übertrieben erschienen. Er zog den Ballon hinter sich her ins Haus, zerstach ihn mit der Schere, warf die Reste in den Müll, setzte sich ins Auto und fuhr zum Supermarkt.
Auf dem Rückweg nach Hause, die Tüte mit dem Hackfleisch auf dem Beifahrersitz, musste er einen Umweg fahren, da die direkte Verbindung durch eine Baustelle blockiert war, die das Befahren der Straße nur in eine Richtung erlaubte. Er kam durch ein Gewerbegebiet, in das er sich schon lange nicht mehr verirrt hatte, und plötzlich fesselten mannshohe, blaue Großbuchstaben auf weißem Grund seine Aufmerksamkeit: Megabad stand da an einer Fassade. Megabad? Was war hier besonders schlecht? War das wieder so ein alberner Anglizismus aus dem Bereich der Jugendsprache?
Schließlich erkannte er, dass neben Megabad noch etwas geschrieben stand: Der Sanitärfachmarkt . Bad also von Badezimmer und nicht vom englischen Wort für schlecht. Aber das machte die Sache auch nicht besser.
Zu Hause setzte er Wasser auf, stellte eine Pfanne auf den Herd und gab Fett hinein. Als beides heiß genug war, gab er die Spaghetti in das kochende Wasser und das Hackfleisch in das brutzelnde Fett.
Um kurz vor eins kam sein jüngerer Sohn aus der Grundschule, um zwanzig nach eins der ältere aus dem Gymnasium. Sie begrüßten ihren Vater, als hätten sie ihn wochenlang nicht gesehen. Das rührte Frohnberg.
Die Pfanne mit der Bolognese stand schon auf dem Esstisch, als Frohnberg die abgegossenen Nudeln aus dem Durchschlag zurück in den Topf kippte und ein Stück Butter hinzufügte. Er setzte den Deckel auf den Topf und schwenkte ihn, damit die Butter schmolz und die Spaghetti später nicht aneinander pappten. Er wollte den Deckel abnehmen – doch das funktionierte nicht.
»Ups, da hält jemand von innen den Deckel fest«, sagte er, und die Kinder glucksten.
Frohnberg probierte es noch einmal. Der Deckel saß fest. So fest, dass Frohnberg da schon ahnte, dass hier ein Problem heraufzog.
In der nächsten halben Stunde gab er sich wirklich Mühe: Er versuchte, mit einem Messer zwischen Topf und Deckel zu kommen; er schlug den Topf erst seitlich und relativ zurückhaltend gegen die Arbeitsplatte in der Küche; er setzte ihn hart auf; er schlug ihn mit aller Kraft auf die Arbeitsplatte. Die Kinder, welche die Unfähigkeit ihres Vaters einen Nudeltopf aufzubekommen, zunächst lustig gefunden hatten, zeigten sich nun irritiert. Um sie aufzuheitern erzählte er ihnen die Megabad -Geschichte. Die fanden sie tatsächlich sehr lustig.
Bald wusste Frohnberg nicht mehr weiter. Das war Physik, das war ihm zu hoch. Schon in der Schule hatte er hier versagt. Er musste zum letzten Mittel greifen: Er rief seine Mutter an. Die war achtundsechzig Jahre alt und seit neunundsechzig Jahren Hausfrau.
»Du kriegst den Deckel nicht vom Topf?«
»Der sitzt bombenfest. Das muss ein Vakuum sein oder Unterdruck oder was weiß ich.«
»Ja, ja, das ist mir auch schon passiert. Kaltes Wasser hilft!« Seine Mutter hatte
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