Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rampensau

Titel: Rampensau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Blum
Vom Netzwerk:
Blutverlustes das Bewusstsein verlor.« Die Polizistin steckte ihren Block zurück und hielt stattdessen ein Kärtchen in der Hand. »Sollte Ihnen noch etwas einfallen – hier meine Telefonnummer. Rufen Sie an, egal zu welcher Zeit.«
    Dörthe wollte nach der Karte greifen, Carlo kam ihr jedoch zuvor. »Wenn wir etwas für die Polizei, unseren Freund und Helfer, tun können, machen wir das gerne«, sagte er und lächelte wieder so, dass die tiefe Falte auf seiner Wange entstand.
    Die Polizistin maß ihn mit einem spöttischen Blick. Sie machte kein Geheimnis daraus, dass sie ihn nicht ausstehen konnte. Darin war sie eindeutig klüger als Dörthe. »Viel Erfolg mit Ihrem Stück«, sagte sie, »und schreiben Sie nichts Falsches – sonst müssen Sie sich womöglich wieder prügeln.« Sie wandte sich ab, machte ein paar Schritte, drehte sich dann noch einmal um. »Ach ja – wäre schön, wenn Sie sich für weitere Auskünfte zur Verfügung halten«, setzte sie hinzu. »Kann sein, dass ich bald noch einmal vorbeikommen muss.«
    Dörthe atmete tief durch, als die Polizistin mit ihrem dunkelblauen Wagen umständlich gewendet hatte und vom Hof gefahren war.
    »Hast du heute Nacht etwas mitgekriegt?«, fragte sie Carlo.
    »Ich habe geschlafen wie ein Bär«, erwiderte er und lachte hohl auf. »Oder heißt es wie ein Schwein? Ist es nicht so, dass Schweine faul sind und die meiste Zeit tief und fest schlafen?« Plötzlich ruckte sein Kopf herum, und er starrte Kim feindselig an. Sie spürte, wie sein Blick ihr durch Mark und Bein fuhr. Hatte er bemerkt, dass Lunke und sie ihn in der Nacht beobachtet hatten? Nein, das war ausgeschlossen – nahezu ausgeschlossen, sagte sie sich.
    Hastig machte sie, dass sie aus seinem Blickfeld geriet, und trabte über die Wiese, Doktor Pik hinterher, der nun auch abgedreht hatte und auf die Wannen zusteuerte, die Edy soeben mit frischem Wasser gefüllt hatte. Er schien von der Aufregung um den Schwan nichts mitbekommen zu haben, oder er interessierte sich nicht dafür. Wie immer bei der Arbeit hatte er zwei Knöpfe im Ohr, aus denen ein Dröhnen drang.
    »Ich muss jetzt unbedingt einen starken Kaffee trinken«, hörte Kim Dörthe noch sagen.
    Im nächsten Moment jedoch rauschte schon wieder ein Wagen auf den Hof.
    Kehrte die Polizistin zurück? War ihr im Nachhinein aufgefallen, dass Carlo sie angelogen hatte? Für einen Moment hegte Kim diese Hoffnung. Dann sah sie, dass es ein ganz anderer Wagen war – weiß und breiter, mit einem Aufbau aus Brettern rechts und links und einer Plane als Dach. In einem solchen Gefährt wurden Schweine transportiert, erinnerte sie sich mit Schrecken.

5
    In ihren Alpträumen spürte Kim es oft: das Rumpeln und Ruckeln in dem Transporter, in den man sie mit zwanzig Artgenossen gesperrt hatte. Nach Angst hatte es gerochen, nach Hoffnungslosigkeit und letzten Wünschen. Doch dann war der Transporter plötzlich ins Schlingern geraten und mit einem metallischen Kreischen umgekippt, und der leere blaue Himmel war ihr entgegengestürzt. Einen Moment später, als alle noch durcheinander dalagen, hatte sie fliehen können. In einem Gebüsch hatte sie sich versteckt, bis Dörthe sie gefunden und mit auf ihren kleinen Hof genommen hatte, den sie damals noch mit dem berühmten Maler Robert Munk bewohnt hatte. Munk war mittlerweile gestorben – jemand hatte ihn umgebracht, genauer gesagt, aber das war nun schon eine kleine Weile her.
    In ihren Träumen indes war ihre Flucht von dem Transporter nie zu Ende – genauso wie Doktor Pik im Schlaf immer noch mit seinem Wanderzirkus durch die Gegend zog und müde und erschöpft seinen Kartentrick vorführte.
    Weglaufen wollte Kim, als sie den Transporter sah – zu Lunke in den Wald und am liebsten noch weiter.
    Trotzdem blieb sie wie gebannt stehen – diese verdammte Neugier war wie eine Krankheit, die sie nicht abschütteln konnte. Andere Schweine hatten Würmer, die sie nicht loswurden, die ihnen schmerzhaft durch das Gedärm krochen, bei ihr war es das Gefühl, nichts verpassen zu dürfen.
    Dörthe lief zu dem Führerhaus und begrüßte den Fahrer, der ächzend ausstieg – einen alten Mann mit einem grauen Haarkranz, der sich erst seine Hand an seiner blauen Joppe abwischte, bevor er sie Dörthe reichte. Er neigte sogar höflich den Kopf, als hätte er eine besondere Achtung vor ihr. Hätte der Mann nicht hinter dem Steuer eines solchen Wagens gesessen, hätte Kim sich spätestens jetzt keine Sorgen mehr

Weitere Kostenlose Bücher