Rampensau
gemacht. Wie ein Tierarzt oder wie ein Schlächter wirkte der Alte allerdings nicht.
Leider war sie schon zu weit entfernt, um zu hören, was Dörthe zu ihm sagte. Die beiden schienen sich aber zu verstehen. Dörthe lächelte wieder, während Carlo sich, mäßig interessiert, am Tor postiert hatte.
Der Alte in der blauen Joppe machte sich an der Ladeklappe des Transporters zu schaffen.
»Na, gibt’s was zu fressen?«, fragte Brunst, der unvermittelt neben Kim aufgetaucht war. Frische Nahrung roch er zehn Meilen gegen den Wind.
Duftete es nach Obst, nach Essensresten oder Trockenfutter? Kim schnüffelte. Das wäre eine Erklärung gewesen, aber nein, mit einem solchen Wagen war noch nie Futter angeliefert worden.
Brunst schmatzte laut, Speichel troff ihm aus dem Maul.
»Einmal so richtig satt fressen – das wäre was«, brummte er träumerisch vor sich hin.
He, wollte Kim sagen, du tust doch den ganzen Tag nichts anderes als fressen! Sie schwieg jedoch lieber, denn nun fiel die Klappe herunter und gab den Blick ins Innere des Transporters frei.
Ein Geruch von Stroh und Dung wehte herüber, aber bewegte sich da nicht etwas?
Kim hörte, wie Dörthe in die Hände klatschte und dann über die Klappe in den Transporter hineinstieg.
»Wunderbar«, rief sie. »Noch viel schöner, als ich es mir vorgestellt habe.« Mit einem Lächeln über ihrem ganzen sommersprossigen Gesicht wandte sie sich zu dem Alten um.
»Ja, ein Prachtstück, nicht wahr?«, erwiderte der Alte stolz.
Auch Carlo wurde nun herangelockt und verdeckte Kim die Sicht. Sie schnaubte ärgerlich. Ihre Neugier begann wie eine heiße Flamme in ihr zu lodern. Sogar die anderen waren neugierig herangetrabt.
»Was hat Dörthe vor?«, schnarrte Che missmutig. »Hat sie genug von uns? Will sie uns an irgendeinen dummen Schlächter verscherbeln?« Auf Sprüche und Schwarzmalerei verstand er sich bestens.
Als Dörthe sich ihm näherte, sprang Carlo hastig beiseite, und endlich konnte Kim erkennen, was sich in dem Transporter befand: ein mittelgroßes, helles Tier – ein Schaf, genauer gesagt. Ja, wenn sie sich richtig erinnerte, musste dieses Wesen mit dem flauschigen Fell ein Schaf sein. Auf der Wiese neben ihrem Pferch, wo sie mit ihrer Mutter aufgewachsen war, hatten solche Tiere gegrast und den ganzen Tag schrecklich blöde Töne von sich gegeben.
Che neben ihr stieß entrüstet die Luft aus. »Was ist das denn für eine Missgeburt!«, rief er aus. »Eine Beleidigung für meine Augen! Womit wollen die Menschen uns jetzt quälen?«
Ausnahmsweise musste Kim ihm einmal recht geben.
»Das ist aber ein komischer Hund«, quiekte Cecile ein Stück neben ihr. »Kann der beißen, oder bellt er nur? Müssen wir nun aufpassen?«
»Halt’s Maul!«, zischte Brunst ihr wütend zu.
Allein Doktor Pik war still geblieben. Ihn konnte einfach nichts erschüttern, doch zu einem beruhigenden Wort vermochte er sich auch nicht aufzuraffen.
Kim konnte es nicht fassen. Was, verdammt, war in Dörthe gefahren? Warum brachte sie ihnen ein ausgewachsenes Schaf auf die Wiese? Genügten sie ihr nicht mehr? Wollte sie nun Schafe züchten, statt sich weiter um sie zu kümmern? Eines war schon klar, bevor dieses Wesen ein Bein auf die Wiese gesetzt hatte: Es würde Ärger geben.
Behutsam führte Dörthe das Fellwesen zu dem Holztor, das Carlo geöffnet hatte, und ließ es hinein. Dabei lächelte sie die ganze Zeit, als hätte man ihr ein tolles Geschenk gemacht. Voller Unverständnis verfolgte Carlo ihre Bewegungen. Er konnte ihre Begeisterung eindeutig nicht teilen – was ihn Kim allerdings auch nicht sympathischer machte.
»Was für ein schönes Tier!«, rief Dörthe aus. »So ein netter Kerl hat uns gerade noch gefehlt, nicht wahr?« Beifallheischend schaute sie sich um.
Kim grunzte ihren Widerspruch hinaus, und die anderen fielen in seltener Eintracht mit ein – ein fünfstimmiger Chor der Entrüstung erhob sich, der allerdings gründlich missverstanden wurde.
»Sieh nur, wie die Schweine sich freuen!«, rief Dörthe und postierte sich neben Carlo. »Schweine sind überaus gesellig. Sie begrüßen jeden Neuankömmling direkt freundlich, ganz anders als wir Menschen.«
»Ich bin sicher, Sie werden viel Spaß mit dem Tier haben«, erklärte der alte Mann und reichte Dörthe die Hand zum Abschied.
Er wollte wegfahren und das Schaf tatsächlich bei ihnen lassen, begriff Kim voller Panik.
Derweil stakste das Wesen mit dem Flauschfell näher heran und blickte sich
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