Rampensau
Erdhaufen bequem gemacht. Sein Schnarchen war bis zu ihnen zu hören.
»Und?«, sagte Lunke ungeduldig. »Was sagst du dazu?«
Was sollte sie dazu sagen?
»Ich möchte wissen, wer Bertie umgebracht hat.« Nun schaute sie Lunke zum ersten Mal an. Er kniff seine braunen Augen zusammen und sah plötzlich äußerst unzufrieden aus. »Ich mache mir Vorwürfe. Ich hätte auf Bertie aufpassen müssen. Hast du gestern Morgen etwas beobachtet?«
Lunke wandte den Kopf. »Du nutzt mich aus – dieses Gefühl habe ich.« Er schnaufte und scharrte dann mit den Vorderpfoten, als müsse er nachdenken. »Dieser Mann mit den weißen Haaren lief hier herum, und die Frau, die gestern angekommen ist …«
»Swara«, warf Kim ein.
»… sie hat auch nicht geschlafen, jedenfalls nicht die ganze Zeit.«
»Hat sie Bertie umgebracht?«, fragte Kim.
»Gesehen habe ich nichts. Ich musste zurück … in den Wald, und eigentlich wollte ich auch über etwas anderes reden.« Er schnaufte wieder. Sollte das eine neue Angewohnheit werden?
»Lunke«, sagte Kim, und nun versuchte sie besonders freundlich zu klingen. »Ich muss das herausfinden, vorher kann ich mit dir nicht über uns reden. Du weißt, ich mag dich, aber …«
Ein Motorengeräusch war hinter ihnen zu hören, das kurz darauf erstarb. Lunke wandte sich nicht einmal um.
»Ich finde, wir sollten zumindest zusammen suhlen gehen«, maulte er.
»Ja, vielleicht«, entgegnete Kim. Sie hatte die Ohren aufgestellt und lauschte. Lief da jemand durch den Wald? Mittlerweile war es völlig dunkel geworden. Swara eilte über den Hof in Richtung Gemüsegarten, wo ihr Zelt stand. Dörthe und Finn verließen das Atelier. Er küsste sie wie beiläufig auf die Wange und lächelte dabei. Oben am Fenster war Carlo verschwunden. Brunst am Erdwall schnarchte noch lauter.
»Du könntest auch ganz zu uns kommen«, meinte Lunke nun. Er war näher an sie herangerückt. Sie konnte riechen, dass er den ganzen Tag irgendwo tief im Wald gelegen hatte. »Verlass diese elenden Schlappschwänze, und komm zu uns! Du bist zwar keine wilde Schwarze, aber ich werde dich beschützen …«
»Vielen Dank«, unterbrach sie ihn. »Ich möchte gar nicht beschützt werden.« Dann ruckte ihr Kopf in die Höhe.
Carlo war auf den Hof getreten. Er blickte zu Munks Atelier hinüber, das nun dunkel dalag. Dann zog er einen silberfarbenen Apparat hervor und hielt ihn sich ans Ohr. Nervös lief er in Richtung Straße, genau auf Kim zu. Für einen Moment fürchtete sie, er habe sie entdeckt. Doch dann veränderte sich sein Gesicht, wurde hart und kantig.
»Hören Sie«, sprach er in den Apparat hinein. »Ich weiß nicht, wer Sie sind und was das soll. Rufen Sie nicht mehr an! Wir haben hier kein Geheimnis – ist das klar? Und Angst lassen wir uns von Ihnen auch nicht einjagen.«
Dann warf er den Apparat auf den Boden und trat mit dem rechten Fuß mehrmals auf ihn ein. Ein lautes Krachen hallte durch die Dunkelheit.
Lunke hielt seinen Rüssel in den leichten Wind. »Ich glaube, der weißhaarige Mann ist wieder da«, sagte er.
Kim hob auch den Rüssel. Sie konnte jedoch nichts riechen. Dann aber bemerkte sie einen Schatten, keine fünf Schritte von ihrem Versteck entfernt. Der weißhaarige Mann schälte sich aus der Dunkelheit, er hielt ein Gerät vor sein Gesicht, durch das er hindurchsah. Gleichzeitig sprach auch er in einen Apparat hinein.
»Alles ruhig«, war alles, was Kim verstehen konnte.
»Wir sollten uns weniger um die Menschen kümmern und mehr um uns«, bemerkte Lunke.
Carlo war wieder verschwunden. Kim konnte nicht sagen, ob er ins Haus zurückgekehrt war. Das Fenster, hinter dem er wohnte, blieb dunkel.
Der weißhaarige Mann rührte sich nicht, und er sagte auch nichts mehr.
Auf der Wiese war jedoch eine Bewegung zu sehen. Kim riss die Augen auf. Müdigkeit machte ihr zu schaffen, auch wenn sie nicht wie die anderen an dem kümmerlichen Erdwall gearbeitet hatte. Brunst raffte sich auf und schüttelte sich. Im Mondlicht warf er einen langen Schatten und sah beinahe wie ein anderes, furchterregendes Tier aus. Langsam stakste er zum Stall zurück. Offenbar glaubte er, seine Wache, die er im Tiefschlaf verbracht hatte, sei vorüber.
»Guck dir den fetten Schlappschwanz an!« Lunke lachte auf. »Wie hältst du es nur mit diesen Langweilern aus?«
Kim erwiderte nichts. Mit einem Mal kam es ihr auch sonderbar vor, mit wem sie da unter einem Dach lebte. Nein, sagte sie sich, Lunke hatte unrecht. Brunst mochte
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