Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rampensau

Titel: Rampensau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Blum
Vom Netzwerk:
Gott«, schluchzte der Junge und wiegte den Toten. »Ich bin in der Scheißkarre eingeschlafen. Und du … du hast doch gesagt, ich solle auf dich warten und mich nicht von der Stelle rühren … Hast du gesagt, verdammt.« Tränen liefen ihm über die Wangen. Er sprach weitere Worte, die Kim jedoch nicht verstehen konnte, weil sie in seinem Schluchzen untergingen. Dann wandte er den Kopf wieder, und als würde ihn Kims Anblick ernüchtern, legte er den Toten zurück und wischte sich über das tränenfeuchte Gesicht.
    »Was glotzt du so, Schwein?«, stieß er hervor. »Verschwinde!« Er wedelte mit der Hand. Dann bemerkte er das Schild, das der Tote um den Hals trug, und zog seinen silberfarbenen Apparat hervor. Er drückte ein paar Knöpfe, um einen Moment später mit überraschend fester Stimme hineinzusprechen. »Mats hier«, sagte er. »Ja, Chef … ich weiß, dass es verdammt früh ist, aber es ist ein echter Notfall. Sven … er ist tot. Jemand hat ihn mit einer Drahtschlinge umgebracht, genau wie er das Zottelschwein …« Ein leiser Schluchzer drang erneut über seine Lippen. »Er trägt ein Schild. Da steht: ›Auge um Auge, Zahn um Zahn‹ drauf.« Der Junge holte tief Luft, und seine Augen streiften Kim wieder, doch schien er nun eher durch sie hindurchzublicken. »Was soll ich tun? Soll ich ihn mit diesem Schild hierlassen? Er sitzt in dem Auto dieser Frau … Mann, Chef, Sven sieht so schrecklich aus – seine Zunge ist ganz blau geschwollen, und sein Gesicht …Er muss schreckliche Schmerzen gehabt haben … Wenn ich diesen Kerl … Keine Ahnung.« Seine Augen weiteten sich, während er sich umschaute. »Nein, niemand«, sagte er dann. »Nur ein rosa Schwein steht da und starrt mich blöde an. Von den Leuten hier hat niemand etwas gemerkt. Da bin ich sicher … Ja, okay.«
    Nach einem kurzen Zögern steckte der Junge den Apparat wieder ein und beugte sich in den Wagen vor.
    Kim traute ihren Augen nicht. Erneut umarmte dieser Mats den Toten, doch diesmal, um ihn aus dem Auto herauszuheben. Wie einen Sack Trockenfutter legte er sich den Weißhaarigen über die Schulter und taumelte mehr, als dass er ging, in den Wald davon.
    Kim konnte ihn stöhnen hören, und kaum hatte er den Wald erreicht, begann er mit dem Toten zu sprechen. »Sven«, sage er. »Du warst immer ein Vorbild für mich. Wie soll es denn mit mir ohne dich weitergehen? Du hast mich aus dem Waisenhaus geholt. Ich habe niemanden auf der Welt. Ohne dich kann ich keine Geschäfte machen. Ich habe Angst, eine Knarre in der Hand zu halten … Ja, ich habe wirklich eine Scheißangst ohne dich.«
    Die Stimme verlor sich zu einem Gemurmel.
    Was sollte das? Kim versuchte nachzudenken. War der Tote gar nicht wirklich tot, sondern konnte gesund werden? Oder aus welchem Grund schleppte Mats ihn weg? Aber eigentlich musste sie sich darüber keine Gedanken machen. Dörthe und ihrem Kind im Bauch war nichts passiert – das war die Hauptsache. Und dass der Tote nun nicht mehr in dem gelben Auto lag, hatte auch sein Gutes: Keine weißgekleideten Männer würden mit Hunden umherlaufen und ihnen Angst einjagen.
    Kim gähnte und drehte sich um. Gleich würden die anderen aufstehen und nach einem ausgiebigen Frühmahl an ihrem nutzlosen Erdwall weiterbauen.
    Als sie zum Durchschlupf gehen wollte, bemerkte sie Swara, die sich dem Kabriolett mit wahrem Forscherdrang näherte.
    »Na, neugieriges Schweinchen«, erklärte sie mit einem undurchsichtigen Lächeln. »Was ist denn hier los? Da werden ganz früh am Morgen schon Leichen abtransportiert. Warum nur?«
    Kim wandte sich ab. Hinten kam Finn über die Wiese aus dem Wald gelaufen. Um den Hals trug er seinen großen Apparat. Er wirkte überaus fröhlich und zufrieden, wie er um Ches kümmerlichen Erdwall herumschritt. Für einen Moment erwartete Kim, dass auch Dörthe bei ihm war, doch Finn war allein. Dann bemerkte er Swara und begann auf einmal langsamer zu werden und wieder zu hinken.
    »Konnte nicht schlafen … Geht mir manchmal so«, rief er ihr wie eine Entschuldigung herüber, die selbst Kim als ziemlich aufgesetzt empfand. »Habe ich mir ein wenig die Gegend angeschaut und Fotos gemacht. Bei diesem Licht werden die Aufnahmen besonders gut.«
    Swara lächelte gezwungen. »Vielleicht sollten wir uns mal unterhalten«, sagte sie und straffte sich. Es klang wie eine Drohung.
    Finn hinkte noch stärker und fuchtelte mit den Händen, als müsse er Fliegen vertreiben, aber da flogen gar keine herum.

16
    Es

Weitere Kostenlose Bücher