Rampensau
doch meistens recht unfreundlich behandelte?
Als Kim sich umwandte, bevor sie in den Stall schlich, blickte sie zum Haus. Unvermittelt verharrte sie. Irgendetwas war anders als sonst – nur was? Für einen Moment sah sie den toten Bertie vor sich, wie er gestern Morgen auf der Wiese gelegen hatte. Hielt dieser Schrecken sie fest? Und warum war Bertie ihr im Schlaf erschienen? Sie schüttelte den Kopf. Zu viele Gedanken bereiteten ihr Kopfschmerzen. Jetzt sah sie, während sie schlief, schon ein totes Schwein, das obendrein mit ihr sprach und ihr Botschaften übermittelte.
Ein Grunzer schreckte sie auf. Doktor Pik hatte sich mühsam aufgerichtet. »Kim«, sagte er, »was hast du mit Lunke die ganze Nacht gemacht?« Gegen seine Gewohnheit klang er streng und sogar ein wenig beleidigt.
»Ich … Wir haben geredet … über uns und über … völlig harmlos«, entgegnete sie recht vage. Dann plötzlich, während sie an Doktor Pik vorbei über die Wiese blickte, fiel es ihr auf. Dörthes gelbes Kabriolett stand auf dem Hof – aber warum war die eine Tür offen? Wollte sie schon so früh wegfahren?
»Du sollst ein Auge auf Dörthe und das Kind haben, das in ihrem Bauch wächst«, hatte Bertie ihr gesagt. Sie sollte nachschauen gehen. Eine offene Tür musste nichts zu bedeuten haben, aber wenn doch? Bei Bertie hatte sie nicht aufgepasst – und nun war er tot.
»Doktor Pik«, sagte sie, »ist dir auf dem Hof etwas aufgefallen?«
Der alte Eber schüttelte müde den Kopf. »Che sollte nicht erfahren, dass ich eingeschlafen bin«, erklärte er schuldbewusst.
Warum machst du diesen Unsinn überhaupt mit?, wollte Kim ihn fragen, dann beschloss sie, zuerst zum Durchschlupf zu gehen und nachzusehen, ob mit dem Kabriolett alles in Ordnung war.
Ein seltsames Gefühl beschlich sie, je näher sie dem gelben Auto kam. Nun hätte sie gerne Lunke neben sich gehabt. Die Sonne stand schon leuchtend und rund über dem Horizont. Sie konnte sehen, dass an dem Kabriolett nicht nur eine Tür offen stand. Es saß auch jemand hinter dem Steuerrad. Argwöhnisch hielt sie ihren Rüssel in den Wind. Hing der Geruch von Blut in der Luft? Nein, zum Glück nicht. Trotzdem wurden ihre Schritte immer schwerer. Lunke, sagte sie stumm vor sich hin, warum bist du nicht da und beschützt mich? Aber in ihrem Kopf war nur ein lächelnder, jedoch stummer Bertie – und Paula, ihre Mutter, die wieder eine ihrer Warnungen aussprach: Pass auf – da riecht was verdammt nach Ärger.
Beinahe hätte Kim laut vor sich hin gesprochen, um die Stimme zu vertreiben. Das Gefühl, in Gefahr zu sein, ließ ihre Borsten in die Höhe springen. Nur ein paar Schritte, dann gehe ich wieder, ich schaue nur kurz nach, keine große Sache, ich passe lediglich auf …
Ein Mensch kauerte über dem Lenkrad, aber es war nicht Dörthe, wie sie zu ihrer Erleichterung erkannte. Der Mensch war ein Mann. Er hatte schneeweiße Haare und ein schwarzes Gestell, hinter dem ein Paar Augen sie kalt und tot anstarrte. Eine geschwollene, blaue Zunge hing ihm aus dem Mund, und um den Hals hatte er ein Stück Draht und ein braunes Schild aus Pappe, auf dem irgendwelche Zeichen aufgemalt waren.
Kim brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass sie den Mann vor sich hatte, der am Abend umhergeschlichen war und den sie zuvor auch schon im Wald gesehen hatte. Irgendwie hockte er genauso da wie der andere Tote, den sie mit Lunke gefunden hatte. Nur dass der Geruch von Blut fehlte und er viel gequälter aussah. Außerdem stierte er hinter dem Gestell mit offenen Augen vor sich hin.
Was genau war hier passiert? Konnte sie riechen, wer hier gewesen war und eine Spur finden?
Als sie sich vorbeugte, traf sie ein Schuh hart und schmerzhaft in die Flanke. Quiekend sprang sie zurück und warf den Kopf herum.
»Verdammtes Schwein!« Ein weiterer schmerzhafter Tritt erwischte sie, so dass ihre Hinterläufe einknickten und sie aufjaulte.
Angst jagte durch ihren Körper. War der Mörder zurückgekommen, um nun sie zu töten?
Ein junger Bursche stand mit verzerrtem Gesicht vor ihr, doch er achtete gar nicht mehr auf Kim. Voller Entsetzen starrte er den Toten an.
»Sven!«, rief er. »Verdammt, Sven!« Er schüttelte den Toten und umarmte ihn. Ein tiefer Schluchzer drang aus seiner Kehle, der Kim durch Mark und Bein fuhr. Sie plagte sich auf, aber ihre Angst war plötzlich davongeflogen. Von diesem Menschen ging keine Gefahr aus – er war auch nicht der Mörder des weißhaarigen Mannes.
»Mein
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