Rampensau
konnte sie im Moment keine Rücksicht nehmen.
Mit dem Spaten und der Taschenlampe in der Hand steuerte Carlo auf Swaras Zelt zu. Wütend rief er ihren Namen durch die Nacht.
»Swara, du verdammte Schlampe, hast du mein Geld geklaut?« Mit dem Spaten schlug er auf das Zelt ein, das unter dem Hieb bedrohlich einsackte. »Swara, du kommst besser raus und erklärst mir das!«
Ungeduldig, weil Swara nicht reagierte, warf er den Spaten beiseite und zerrte an dem Reißverschluss herum, bis er ihn endlich geöffnet hatte. Dann leuchtete er mit der Taschenlampe in das Zelt hinein. Sein Gesicht, das Kim nur im Profil sehen konnte, zeigte eine starke Anspannung, die von einem Moment auf den anderen völliger Verblüffung wich.
»Ausgeflogen! Niemand da!«, murmelte er vor sich hin.
Kim entfuhr ein erstaunter Grunzer, der Carlo herumfahren ließ. Der Schein seiner Taschenlampe traf sie genau in die Augen, so dass sie den Kopf abwenden musste.
»Ein Schwein!« stieß er hervor. »Ein gottverdammtes Schwein läuft mir nach!«
19
Als Carlo ein paar wütende Schritte auf sie zu machte, rannte sie so schnell ihre Beine sie trugen in den Wald zurück. Außer Atem hielt sie am Durchschlupf inne. Sie musste aufpassen, dass die Anstrengungen nicht überhandnahmen, aber Carlo hatte tatsächlich ausgesehen, als könnte er seine Wut über das verschwundene Geld an ihr auslassen.
»Hi, Babe – warum rast du hier wie ein wild gewordenes Kaninchen umher?«
Fast wäre sie Lunke vor Schreck vor die Klauen gesunken.
»Was redest du da?« Sie mit einem wild gewordenen Kaninchen zu vergleichen war eine Beleidigung, die sie ihm eigentlich nicht durchgehen lassen konnte.
Lunke schmatzte, als käme er soeben von einem Festmahl. »Muss man dich denn immer im Auge behalten?«
Plötzlich fiel ihr ein, was der schwebende Bertie gesagt hatte. Die Rotte sollte Dörthe suchen.
»Lunke«, sagte sie keuchend, »du musst mir einen Gefallen tun.«
»Oho!« Er zog die Augenbrauen zusammen und taxierte sie, dann glitt ein Lächeln über sein Gesicht. »Da bin ich aber gespannt.«
Sie schaute ihn von unten herauf an und versuchte eine gewisse Zuneigung in ihren Blick zu legen. »Es soll auch nicht umsonst sein«, fügte sie hinzu, doch dann wusste sie nicht mehr weiter. Was sollte sie ihm anbieten? Ein gemeinsames Suhlbad im Waldsee? Oder vielleicht eine Nacht im Farn? »Ich muss Dörthe und ihr Kind retten«, sprach sie schnell weiter und verdrängte den Gedanken an eine gemeinsame Nacht. »Und ich dachte, du und deine Rotte – ihr könntet mir dabei helfen.«
Lunkes Miene verfinsterte sich, ohne dass er jedoch ein Wort sagte.
»Ich habe da dieses rote Tuch, das Dörthe gehört«, fuhr sie fort, »das könnte ich euch geben, und ihr könntet sehen, ob ihr aufgrund des Geruchs ihre Fährte aufnehmt. Das könnt ihr doch – Menschen riechen, nicht wahr?« Sie blinzelte ihn an.
»Wir sind die besten Schnüffler weit und breit«, erklärte Lunke mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete.
»Ja, dann ist es doch eine Kleinigkeit für euch.« Kim lächelte ihn an, und sie meinte zu spüren, dass sich seine Strenge ein wenig löste. »Ihr müsst nur ein wenig durch die Gegend ziehen und eure Rüssel in den Wind halten. Tut ihr doch sowieso.«
Lunke schien nachzudenken. »Ich muss mit meiner Mutter darüber sprechen«, sagte er dann. »Sie hat das letzte Wort, und den Preis bestimme ich.«
»Den Preis?«
»Ja, Kim, das ist kein üblicher Gefallen. Diese Sache kostet dich etwas – ich sage dir hinterher was.«
Nachdem sie den roten Schal aus dem Stall geholt hatte, in dem die anderen noch selig schliefen, wurde ihr plötzlich mulmig zumute. Was hatte sie nur für eine Idee gehabt? Sie sollte der ganzen Rotte einschließlich Emma gegenübertreten und ihnen erklären, dass sie Dörthe suchen sollten. Was für ein Aberwitz! Mit weichen Knien betrat sie den Wald. Lunke empfing sie breit grinsend.
»Die anderen sind hinten auf der Lichtung, aber Vorsicht! Meine Mutter hat schlechte Laune, weil die Bachen sich gestritten haben. Die blöden Zicken streiten sich bei jeder Gelegenheit um den schönsten Keiler in der Rotte.« Er warf sich in die Brust, damit sie zweifelsfrei begriff, wen er damit meinte.
»Na, sehr schön.« Die ersten Vögel begannen zu singen. Bald würde es hell werden.
Auf der Lichtung waren mächtige Schatten wahrzunehmen. Sechs, nein sieben ausgewachsene wilde Schwarze stießen ihre Rüssel in die Erde und suchten nach
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