Rampensau
Fressen.
Kim blieb stehen und sah Lunke an. »Hast du sie schon auf das vorbereitet, was ich von ihnen will?«, fragte sie. Leider zitterte ihre Stimme und verriet ihre Nervosität.
»Ich? Nein! Wie käme ich dazu?« Lunke tat überrascht. »Es ist schließlich dein Plan. Ich begleite dich nur.«
»Aber vielleicht könntest du mich vorstellen – damit sie alle wissen, wer ich bin.«
Lunke hob seinen massigen Kopf. »Nicht nötig. Emma kennt dich bereits.«
Ja, richtig, einmal war sie Emma begegnet. Bei dem Gedanken, wie die fette Bache sie gemustert hatte, schauderte es Kim immer noch. Wilde Schwarze verachteten rosige Hausschweine für gewöhnlich, eigentlich redeten sie nicht einmal mit ihnen.
Mit klopfendem Herzen trat Kim auf die Lichtung, Lunke ein Stück hinter ihr. Beinahe wäre sie über ein Grasbüschel gestolpert. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren, sagte sie sich, ich muss Dörthe retten, und außerdem hat mir der schwebende Bertie geraten, mich an die Rotte zu wenden.
Vorsichtig legte sie das rote Tuch neben sich, bevor sie zu sprechen begann.
»Liebe wilde Schwarze«, rief sie über die Lichtung. »Mein Name ist Kim, ich bin eine … Bekannte von Lunke. Ich habe schon viel von euren großartigen Fähigkeiten gehört. Ihr könnt Wasser über viele Schweinslängen riechen, und ihr seid die Besten darin, Eicheln zu finden. Und ihr könnt Menschen Angst einjagen, wie es sonst niemand vermag.«
Die ersten Köpfe der wilden Schwarzen hoben sich und blickten in ihre Richtung. Kim blieb stehen. Wo war die fette Emma, Lunkes Mutter? Sie brauchte einen Moment, um die Anführerin der Rotte mitten auf der Lichtung, dort, wo das Gras am saftigsten war, zu entdecken.
»Was willst du?«, rief die Bache, als Kim einen Moment zu lange gezögert hatte, um fortzufahren.
Kim schluckte. Freundlich hatte diese Frage nicht geklungen. »Nun, ich würde euch gerne um einen Gefallen bitten. Lunke meinte, es sei nichts Schwieriges für euch, eher eine Kleinigkeit.«
Lunke versetzte ihr einen leichten Stoß, auf den sie jedoch nicht achtete. Anscheinend war er auch nervös, weil er nicht wusste, wie seine Mutter reagieren würde.
»Es ist so«, hob Kim erneut an. Ihre Stimme klang nun fester, wie sie mit Befriedigung feststellte. Sie blickte in Emmas Richtung. »Ein Schwein ist grausam ermordet worden – mit einer Drahtschlinge erdrosselt. Bertie – so hieß das Schwein – war das freundlichste Wesen, das man sich vorstellen kann. Niemandem hat er jemals etwas zuleide getan …«
»Na und? Was haben wir damit zu tun?«, rief eine junge Bache. Eine andere lachte schrill und übertrieben.
Kim ließ Lunkes Mutter nicht aus den Augen. Emma musste sie überzeugen, niemanden sonst.
»Ich suche den Mörder dieses Schweins. Es war ein Mensch, und nun hat dieser Mensch meine Herrin entführt und verschleppt. Vielleicht will er auch sie töten. Dabei ist meine Herrin die angenehmste Person, die …«
»Komm zum Punkt!«, rief Emma gereizt. »Wir haben nicht ewig Zeit. Was genau willst du?«
Kim ließ einen Moment verstreichen, dann beugte sie sich vor und nahm das rote Tuch ins Maul, damit alle es sehen konnten. Mittlerweile war es auf der Lichtung hell genug. Dann ließ sie es wieder ins Gras fallen.
»Dieses Tuch hat Dörthe, meiner Herrin, gehört. Ich glaube, dass sie noch irgendwo in diesem Wald ist, und wenn einer sie finden kann, dann seid ihr das. Ich bitte euch, mir zu helfen.«
Lunke neben ihr nickte. Ob ihm ihre Worte gefallen hatten oder ob er sie lediglich bekräftigen wollte, wusste Kim nicht zu sagen, aber es tat plötzlich gut, ihn neben sich zu wissen.
»Wieso sollten wir das tun?« Emma hatte sich zu ihrer imposanten Größe aufgerichtet. Als Kim mit einer Antwort zögerte, schob sie sich an zwei Bachen vorbei in ihre Richtung. Ihr Blick war dunkel und argwöhnisch.
Kim schluckte. Was sollte sie sagen? Sollte sie Emma weiter Honig ums Maul schmieren, ihr Komplimente machen, wie stark und klug sie sei? Bevor sie richtig nachgedacht hatte, stieß sie hervor: »Bertie, das tote Wollschwein, hat mir gesagt, dass nur ihr Dörthe finden könnt.«
Emma schnaufte. »Ein Toter hat es dir gesagt? Du sprichst mit einem Toten?«
Kim nickte. Neben ihr stöhnte Lunke leise auf. »Im Traum – Bertie hat es mir im Traum gesagt. Er schwebt dann vor meinen Augen und lächelt und sagt kluge Dinge wie …«
Die fette Bache war herangekommen. Sie blickte finster auf das rote Tuch neben Kim. Die Anspannung
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