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Rampensau

Titel: Rampensau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Blum
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versteckt.
    »Ich habe einmal versagt«, sprach Doktor Pik in die Stille hinein, die nur dann und wann von Ceciles Quieken unterbrochen wurde. »Ach, versagt ist eigentlich noch untertrieben. Mein Herr hatte mir vorher verraten, dass es eine besondere Aufführung werden würde. ›Heute kommt es darauf an, Doktor Pik‹, hatte er mir ins Ohr geflüstert. ›Heute entscheidet sich, ob wir ein neues Engagement bekommen oder nicht. Also gib dir Mühe!‹ Ich fühlte mich nicht wohl. Meine Knochen taten mir weh. Am liebsten wäre ich gar nicht aufgestanden. Als mein Herr mir mein Kostüm umschnallte, ein rotes Tuch mit glitzernden Sternen, das ich immer albern fand, wusste ich bereits, dass alles schiefgehen würde. Aber es war mir egal. Sollte er doch sehen, wo er blieb.«
    Doktor Pik machte eine Pause, und Kim versuchte sich vorzustellen, wie der alte Eber in seiner Jugend in einem roten, glitzernden Kostüm ausgesehen hatte. Davon hatte er bisher noch nie gesprochen.
    »Dann wurden wir angekündigt. ›Petro Ronnelli und Doktor Pik, das Wunderschwein!‹ In der Manege lief ich zuerst in die falsche Richtung. Mein Herr suchte mich rechts, aber ich war links hineingelaufen. Die Menschen lachten und glaubten noch, dieser Irrtum gehöre zu unserer Nummer. Nur mein Herr wusste, dass etwas nicht stimmte. Ich war voller Gleichgültigkeit. ›Ich bin ein Schwein‹, hätte ich am liebsten ausgerufen, ›ich will diesen ganzen Zirkus nicht mehr.‹ Kaum eine Nummer, die glattlief. Aus einem Besteckkasten sollte ich eine Gabel bringen, doch ich holte einen Löffel. Das Zählen und Luftballonzerschlagen misslang ebenso, und am Ende vermasselte ich selbst unseren Kartentrick. Ich leckte einfach den Honig von der Pappe, an dem ich die richtige Karte immer zweifelsfrei erkennen konnte. Nachdem wir die Manege endlich verlassen hatten, bemerkte ich, dass meinem Herrn der Schweiß auf der Stirn stand. Eine Ader an seiner Stirn pochte, und in seinen Augen konnte ich sehen, dass er mich am liebsten geschlagen hätte, doch dafür hatte er keine Kraft mehr. ›Wir sind ruiniert‹, murmelte er vor sich hin, und so war es dann auch. Es war unser letzter Auftritt in einer großen Manege. Danach kamen wir bei einem schäbigen Wanderzirkus unter. Ich gab mein Bestes, wollte alles wiedergutmachen, doch mein Herr war nach diesem Fehlschlag ein gebrochener Mann, und wenig später verlor ich viele Borsten und bekam diesen widerwärtigen Ausschlag. Hätte Dörthe nicht zufällig den Zirkus besucht und mich gerettet, wäre ich unweigerlich ins nächste Schlachthaus verfrachtet worden.«
    Doktor Pik schwieg einen Moment lang betreten. »So etwas nennt man Versagen«, erklärte er dann. »Du dagegen hast alles versucht.« Er seufzte. Sein Geständnis war ihm schwergefallen. »Manchmal frage ich mich, was mein Herr wohl heute macht. Ob er ein neues Schwein hat, das ihm besser dient, als ich es getan habe. Oder ob er noch mehr Wein trinkt als damals schon.« Er seufzte wieder. »Wir sollten schlafen«, fügte er noch leiser hinzu und drehte sich auf die Seite.
    Brunst schnarchte laut, doch wenigstens Cecile hatte zu quieken aufgehört. Kim schob das rote Tuch unter sich und schnüffelte daran. Es roch nach Dörthe. Vielleicht, dachte sie, vielleicht würde Dörthe ja doch zurückkehren, wenn sie es sich sehr erhoffte. Gab es das? Konnte Hoffnung etwas bewirken?
    Kaum hatte sie die Augen geschlossen, stand der schwebende Bertie vor ihr.
    »Hör zu«, sagte er und lächelte, wie nur er lächeln konnte, »noch ist nichts verloren. Du musst Dörthe suchen. Sie ist gar nicht weit. Nimm das rote Tuch und lass dir von Lunke und seiner Rotte helfen. Die wilden Schwarzen werden sie aufspüren. Verlass dich darauf!«
    Bertie, wollte sie sagen, was redest du da? Doch im nächsten Augenblick war er schon wieder verschwunden.
    Kim riss die Augen auf. Im Stall war es nahezu stockdunkel. Einzig Doktor Pik war als Schemen neben ihr zu erkennen. Stand ein Mond am Himmel? Sie wusste es nicht.
    Was hatte sie geweckt? Bertie, fiel ihr ein, der lächelnde Bertie war ihr wieder erschienen. Dann jedoch hörte sie draußen eine Stimme. Jemand fluchte.
    »Was ist das für ein verdammter Erdhaufen!«
    Sie brauchte ein paar Momente, um zu begreifen, dass die Stimme Carlo gehörte.
    Leise schlich sie zum Durchgang. Was trieb Carlo auf der Wiese? War er vielleicht nicht allein? War alles ein Irrtum gewesen, und Dörthe war zurückgekehrt?
    Kim blinzelte hinaus. Der Mond stand

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