Rampensau
Auch ihre Laune war merklich besser geworden.
Als Cecile nicht aufhörte, wurde Brunst wütend. »Lass den Unsinn!«, brüllte er mit tiefer Stimme. »Du verhöhnst meinen Vater!«
Wie eine kichernde Cecile einen alten, toten Eber verhöhnen konnte, vermochte Kim nicht einzusehen, aber die grimmige Wut, die sich auf seiner Miene abmalte, ließ sie das Schlimmste befürchten. Doch als Brunst sich auf Cecile stürzen wollte, die den Ernst der Lage noch gar nicht bemerkt hatte, stolperte er über seine eigenen Vorderläufe. Er schlug hart mit dem Kopf auf der staubigen Erde auf und blieb reglos und mit offenen, starren Augen liegen.
Die Menschen fanden das Schweinetheater zunehmend amüsanter. »Na, habe ich zu viel versprochen?«, rief Carlo. Swara lachte, und selbst Finn, der sich bisher zurückgehalten hatte, schaute sich nicht mehr um, ob Dörthe endlich auf den Hof fuhr. Er sprang sogar auf, nahm eine Flasche Bier und füllte die Schüssel wieder, die Che japsend geleert hatte.
»Ich fordere die Menschen auf, sich endlich zu ergeben!«, rief Che mit schwankender Stimme, dann gab er einen Laut von sich, der wohl ein Knurren sein sollte. Es klang jedoch, als würde er jeden Moment ersticken.
Die Menschen lachten, auch als Che wie von einer Kugel getroffen auf die Seite fiel und sich nicht mehr rührte. Nur seine Augen glitten hin und her. Angst war in ihnen zu lesen und ein dummes Nichtbegreifen. Sein betrunkenes Gehirn fragte sich anscheinend, was soeben mit ihm geschah, und konnte keine Antwort darauf finden.
Als Cecile aufhörte zu kichern, wurde es mit einem Schlag still auf der Wiese. Doktor Pik war – wie es seine Art war – still und klaglos zusammengesunken. Von ihm kamen immerhin laute, regelmäßige Atemzüge.
Kim begann sich zu schämen. Was waren sie nur für hirnlose, gierige Wesen! Man warf ihnen etwas vor die Klauen, und sie stürzten sich darauf, ohne nachzudenken und irgendwelche Folgen zu berücksichtigen. Aber sie würde wach bleiben, würde auf die Sternschnuppen warten und sich wünschen, dass Dörthe zurückkehrte.
Plötzlich, nachdem Cecile ein letztes Quieken von sich gegeben hatte und gleichfalls reglos auf die Seite gefallen war, fiel ihr auf, dass auch von den Menschen kein Laut mehr kam.
Finn hockte in seinem Stuhl, sein Mund war halb geöffnet, der Kopf war ihm auf die Brust gesunken. Wie die Schweine auf der Wiese rührte auch er sich nicht mehr.
Swara hatte den Kopf auf den Tisch gelegt, neben sich ein halbvolles Glas. Von Carlo hingegen war nichts zu sehen.
Vorsichtig schlich Kim zum Gatter und stieß einen Grunzer aus, aber weder Finn noch Swara reagierten. Sie glaubte jedoch im Zwielicht ausmachen zu können, dass sich Finns Brust hob und senkte. Er lebte also noch.
Mit einer Tasche unter dem Arm und einer Taschenlampe in der Hand kam Carlo aus dem Haus. Er wirkte völlig verändert. Sein Gesicht war starr und entschlossen und kein bisschen betrunken. Er warf einen argwöhnischen Blick auf Finn und Swara, die sich beide nicht gerührt hatten, und verschwand mit eiligen Schritten hinter dem Stall. Kim überlegte, ihm zu folgen, entschied sich dann jedoch dagegen. Es könnte gefährlich sein, Carlo allein gegenüberzutreten. Außerdem meinte sie zu wissen, was er hinter dem Stall vorhatte. Da stand Swaras Zelt – wahrscheinlich suchte er doch noch nach dem Koffer mit dem gestohlenen Geld.
In der gespenstischen Stille, die herrschte, hörte sie nach einer Weile ein Telefon klingeln. Dann Carlos Stimme, die laut und voller Missmut aus dem Stall drang.
»Ja, ich brauche noch ein wenig Zeit … Machen Sie sich keine Sorgen … Alles läuft bestens … Sie kriegen, was Sie wollen.«
Mit einem Fluch auf den Lippen trat er aus dem Stall und lief über die Wiese an den ohnmächtigen Schweinen vorbei zum Hof. Kim legte sich ebenfalls auf die Seite, als hätte sie zu viel getrunken. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie er seine Taschenlampe anschaltete und sich erst über Swara, dann über Finn beugte und ihre Kleidung abtastete. Die beiden Menschen regten nicht den kleinen Finger, so tief schliefen sie.
»Verdammte Scheiße!« Carlo richtete sich auf und strich sich durch sein schwarzes Haar. Jede Fröhlichkeit war von ihm abgefallen. Verzweifelt sah er aus, verzweifelt und vollkommen ratlos. Er drehte sich einmal um sich selbst, dann blickte er zum Himmel, als erwartete er, dass von dort irgendeine Art von Hilfe auftauchte.
Er weiß nicht, was er tun soll, dachte
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