RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts
durch,
verknotete es und bat vier Soldaten, es am äußersten Ende festzuhalten. Dann
schwang er sich über den Brunnenrand und stieg hinab, indem er die Füße auf
vorragende Steine setzte. Das war kein sonderlich schwieriges Unterfangen, doch
als er noch etwa vier Ellen von der Wasseroberfläche entfernt war, erkannte er
im Mondlicht, daß dort unten mehrere verendete Esel schwammen. Entmutigt
kletterte er wieder hinauf.
»Das Wasser ist verseucht«, murmelte er.
Sethos leerte den Krug in den Sand.
»Unsere Leute haben sich am Wasser dieses Brunnens
vergiftet. Danach hat eine Mörderbande, vermutlich Beduinen, Steine
hineingefüllt.«
Der König, der Regent und die vierhundert Mann waren
dem Tode geweiht. Selbst wenn man unverzüglich ins Tal hinabstiege, würden sie
verdursten, bevor sie die Felder erreicht hätten.
Diesmal schnappte die Falle zu.
»Gehen wir schlafen«, erklärte Sethos, »ich werde
unsere Mutter, den bestirnten Himmel, um Hilfe bitten.«
Wie ein Lauffeuer sprach sich im Morgengrauen die
Kunde von dem Unheil herum. Niemand durfte seinen Wasserschlauch füllen, der
doch so leer war, daß man schier verzweifelte.
Ein Großmaul versuchte seine Kameraden aufzuwiegeln,
Ramses stellte sich ihm in den Weg. In seiner Erregung erhob der Soldat seine
geballte Faust gegen den Regenten, doch dieser packte ihn am Handgelenk und
zwang ihn in die Knie.
»Wenn du deine Kaltblütigkeit verlierst, wirst du noch
schneller sterben.«
»Es ist kein Tropfen Wasser mehr da.«
»Der Pharao ist unter uns, halt die Hoffnung wach.«
Rundum waren keine Zeichen weiteren Aufruhrs zu
erkennen. Ramses wandte sich an die Truppe.
»Wir sind im Besitz einer Landkarte, die zwar streng
vertraulich, aber der Heeresführung zugänglich ist. Auf ihr sind auch die
Geheimpfade zu den älteren Brunnen verzeichnet, von denen einige noch nutzbar
sind. Der Pharao wird bei euch bleiben, während ich diese Wege erkunde, um euch
für die Hälfte der Strecke durch die Wüste ausreichend Wasser zu bringen. Unser
Durchhaltevermögen und unser Mut werden ein übriges tun. Schützt euch bis dahin
vor der Sonne, und vermeidet jede unnötige Anstrengung.«
Ramses machte sich mit einem Dutzend Männern und sechs
mit leeren Wasserschläuchen beladenen Eseln auf den Weg. Ein älterer Soldat
hatte sich noch ein wenig Wasser aufbewahrt, das er den Kameraden
schlückchenweise geben würde, wenn der Tau auf ihren Lippen getrocknet wäre.
Sehr bald schon wurde jeder Schritt zu einer Qual.
Hitze und Staub versengten die Lungen. Aber Ramses ging zügig voran, aus Angst,
die Kameraden könnten aufgeben. Ihr ganzes Denken mußte auf einen Brunnen mit
frischem Wasser gerichtet sein.
Den ersten Weg gab es nicht mehr, der Wüstenwind hatte
ihn verweht. Der Nase nach hier weiterzulaufen hätte den sicheren Tod bedeutet.
Der zweite Weg erwies sich als Sackgasse, er endete in einem ausgetrockneten
Wadi. Der Kartenzeichner hatte seine Arbeit schlecht gemacht. Doch am Ende des
dritten Weges war ein steinernes Rund zu erkennen! Die Männer stürzten auf den
Brunnenrand zu, doch das einst offene Rund war längst versandet.
Die berühmte Karte, die als »streng vertraulich« galt,
war ein Betrug. Vor zehn Jahren hatte sie vielleicht gestimmt, aber ein fauler
Schreiber hatte sie wohl einfach immer wieder neu geschrieben, ohne eine
Überprüfung durchführen zu lassen. Und sein Nachfolger hatte das gleiche getan.
Als Ramses wieder vor Sethos trat, bedurfte es keiner
Erklärungen, seine Miene war beredt genug.
Seit sechs Stunden hatten die Soldaten nichts mehr zu
trinken gehabt. Der König wandte sich an die Truppenführer.
»Die Sonne steht im Zenit«, stellte er fest. »Ramses
und ich werden uns jetzt auf die Suche nach Wasser machen. Sobald die Schatten
länger werden, bin ich wieder bei euch.«
Sethos schritt bergan. Trotz seiner Jugend hatte
Ramses Mühe, ihm zu folgen, doch dann hielt er Schritt mit dem Vater. Der König
machte keine unnötige Bewegung und vergeudete keinerlei Kraft. Darin glich er
dem Steinbock, der Hieroglyphe für Adel. Nur zwei entrindete, geglättete und an
den Enden durch einen gespannten Flachsfaden miteinander verbundene
Akazienzweige trug er mit sich.
Das unter ihren Füßen bergab rollende Gestein wirbelte
heißen Staub auf. Ramses war dem Ersticken nahe, er erreichte nach dem Vater
den Gipfel der Anhöhe. Der Blick über die Wüste war großartig. Ein paar
Augenblicke lang genoß er dieses Schauspiel, doch dann machte der
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