RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts
beschriebenen Holztäfelchen, auf denen der Königin mitgeteilt
wurde, daß die Truppe Gold gefunden hatte, es abbaute und die Grundfesten legte
für einen Tempel und eine Stadt für die Grubenarbeiter.
Der von den Sandläufern geschickte Bote teilte Chenar
mit, der König und der Regent seien wohlauf, und der König habe dank göttlicher
Eingebung mitten in der Wüste eine reich sprudelnde Quelle entdeckt. Die
Beduinen, die den Auftrag hatten, den Hauptbrunnen zu vergiften, hatten also
versagt.
Viele bei Hof vermuteten, Sethos und Ramses seien
einem bösen Geist zum Opfer gefallen. Aber wie ließ sich die Abwesenheit des
Herrschers nutzen? Tuja hielt die Zügel der Macht fest in der Hand. Nur wenn
ihr Gemahl und ihr jüngerer Sohn tatsächlich tot wären, müßte sie Chenar zum
Regenten ernennen.
In ein paar Wochen, spätestens, würde die Expedition
zurück sein. Dann wäre die schöne Gelegenheit, sich dem höchsten Amt zu nähern,
erneut verpaßt. Ein Hoffnungsschimmer blieb Chenar noch. Die unerträgliche
Hitze, die Schlangen oder die Skorpione könnten den Auftrag erfüllen, an dem
die Beduinen gescheitert waren.
Ameni tat kein Auge mehr zu.
Die Gerüchte verdichteten sich. Die von Sethos und
Ramses angeführte Truppe war nun auch verschwunden. Anfangs glaubte der junge
Schreiber all diesem Geschwätz nicht, doch dann erkundigte er sich bei der
königlichen Botendienststelle und erfuhr die beklemmende Wahrheit.
Man war gänzlich ohne Kunde über den Pharao und den
Regenten und unternahm offensichtlich nichts!
Eine einzige Person vermochte den Anstoß dazu zu geben
und Hilfstruppen in die westliche Wüste zu entsenden. Also begab sich Ameni zum
Palast der großen königlichen Gemahlin, wo eine auffallend schöne junge Frau
ihn empfing. Obwohl er dem weiblichen Geschlecht und seinem bösen Zauber
mißtraute, gefiel dem jungen Schreiber das ebenmäßige Gesicht Nefertaris. Auch
der tiefe Blick und die sanfte Stimme bezauberten ihn.
»Ich bitte, zu Majestät vorgelassen zu werden.«
»Während des Pharaos Abwesenheit ist sie überaus
beschäftigt. Dürfte ich den Anlaß deines Besuchs erfahren?«
»Verzeih, aber…«
»Mein Name ist Nefertari. Die Königin hat mich zur
Vorsteherin ihres Hofstaats ernannt. Ich verspreche, alles, was du mir sagst,
getreu wiederzugeben.«
Obwohl sie eine Frau war, schien sie ihm aufrichtig.
Und obwohl er es als Schwäche ansah, ließ Ameni sich betören.
»Als Schreiber und Sandalenträger des Regenten halte
ich es für unumgänglich, sofort einen Trupp ausgesuchter Männer loszuschicken,
um sie zu suchen.«
Nefertari lächelte.
»Ich kann deine Befürchtungen zerstreuen, die Königin
ist im Bilde.«
»Im Bilde? Aber das genügt nicht!«
»Der Pharao ist nicht in Gefahr.«
»Dann hat der Hof also Nachricht erhalten?«
»Weitere Erklärungen vermag ich dir nicht zu geben,
aber hab Vertrauen.«
»Ich flehe dich an, bestürme die Königin!«
»Das Schicksal ihres Gemahls und ihres Sohnes ist ihr
ebenso wichtig wie dir, das mußt du glauben. Wären sie in Gefahr, würde sie
handeln.«
Dieses Gerüttel auf dem Rücken eines kräftigen und
flinken Esels war eine Marter, aber Ameni, obwohl er jede Ortsveränderung
haßte, mußte so schnell wie möglich zu Setaou. Der Schlangenbeschwörer lebte
weit außerhalb von Memphis am Rande der Wüste. Der steinige Weg am
Bewässerungskanal entlang nahm kein Ende. Zum Glück hatten ein paar
Uferbewohner schon von Setaou und seiner nubischen Frau gehört und konnten
Angaben machen zu seiner Behausung.
Als er endlich in sicherem Hafen war, konnte Ameni
sich kaum mehr aufrichten, außerdem mußte er bei all diesem Staub ständig
niesen und sich die geröteten und schmerzenden Augen reiben.
Lotos, die vor dem Haus ein Gebräu herstellte, dessen
übler Geruch die Nasenhöhlen des jungen Schreibers beleidigte, bat ihn
einzutreten. Als er einen Fuß über die Schwelle des großen weißen Hauses setzen
wollte, schreckte er zurück.
Eine Königskobra bedrohte ihn.
»Sie ist ein altes, harmloses Tier«, beruhigte ihn
Lotos.
Sie strich dem Reptil über den Kopf, und es wiegte
sich vor Wohlbehagen. Ameni schlüpfte an ihr vorbei ins Innere des Hauses.
Der erste Raum war vollgestopft mit Gefäßen
verschiedener Größen und merkwürdigen Gerätschaften, die zur Giftgewinnung
dienten. Da hockte Setaou und schüttete eine dickliche und rötliche Flüssigkeit
von einem Behälter in den anderen.
»Solltest du dich verirrt haben, Ameni? Du
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