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RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts

RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts

Titel: RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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diesen freimütigen, offenherzigen Blick.
    »Die Leitung der Tempelmusikerinnen ist ein hohes Amt,
doch ich habe anderes mit dir vor. Wärest du bereit, die Leitung des Hofstaats
der Königin zu übernehmen?«
    Leiterin des Hofstaats der großen königlichen
Gemahlin! Wie viele vornehme Damen träumten nicht von diesem Amt, denn es
bedeutete, die Vertraute der Königin zu sein.
    »Die alte Freundin, die dieses Amt versah, ist vorigen
Monat verstorben«, erklärte Tuja. »Es gibt viele Anwärterinnen bei Hof, und
jede verleumdet die andere, um sie auszustechen.«
    »Ich habe keinerlei Erfahrung, ich…«
    »Du bist nicht von Adel, nicht ständig auf deine
Vorrechte bedacht, und deine Familie verweist nicht auf Schritt und Tritt auf
eine ruhmreiche Vergangenheit, um ihre jetzige Trägheit zu rechtfertigen.«
    »Ist meine Herkunft nicht ein schwerwiegendes
Hindernis?«
    »Für mich zählt nur, was der einzelne wert ist. Und ein
wertvoller Mensch überwindet jedes Hindernis. Wofür entscheidest du dich?«
    »Darf ich noch etwas nachdenken?«
    Die Königin lächelte belustigt. Keine adelige Dame bei
Hof hätte eine solche Frage zu stellen gewagt.
    »Ich fürchte, nein. Wenn du zu lange Tempelluft
atmest, wirst du mich vergessen haben.«
    Nefertari faltete die Hände vor der Brust und
verneigte sich.
    »Zu Diensten, Majestät.«
    Königin Tuja liebte die frühen Morgenstunden, daher
stand sie vor Tagesanbruch auf. Der Augenblick, da ein Lichtstrahl die
Finsternis durchstieß, versinnbildlichte für sie jeden Tag aufs neue die
Erschaffung des Lebens. Zu ihrer großen Genugtuung teilte Nefertari ihre Freude
an der Arbeit in den Morgenstunden. Daher gab sie ihr gleich beim gemeinsamen
Frühstück ihre Anweisungen für den Tag.
    Schon drei Tage nach ihrer Entscheidung wußte Tuja,
daß sie sich nicht geirrt hatte. Nefertari war nicht nur schön, sondern
verfügte außerdem noch über einen Scharfsinn, der völlig frei von Zwängen war
und sie befähigte, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden. Sofort,
gleich beim ersten Mal, als sie die Arbeit besprachen, hatte Einklang
geherrscht zwischen der Königin und ihrer Hofmeisterin. Eine Andeutung genügte,
und sie verstanden sich, wenn sie nicht gar den gleichen Gedanken hatten.
Sobald ihre morgendlichen Gespräche beendet waren, begab sich Tuja in ihre
Privatgemächer.
    Während die Perücke der Königin noch von der Zofe mit
Essenzen benetzt wurde, erschien Chenar bei seiner Mutter.
    »Schick die Dienerin fort«, befahl er. »Was ich zu
sagen habe, ist nicht für lauernde Ohren bestimmt.«
    »Ist es so gewichtig?«
    »Ich fürchte, ja.«
    Die Zofe entfernte sich. Chenar schien wirklich von
Angst gepeinigt.
    »Sprich, mein Sohn.«
    »Ich habe lange gezögert.«
    »Da du dich nun aber doch wohl entschieden hast, warum
spannst du mich dann noch länger auf die Folter?«
    »Weil – weil ich mich nur schwer entschließen kann,
dir schrecklichen Kummer zu bereiten.«
    Nun war Tuja wirklich besorgt.

»Ist ein Unglück geschehen?«
    »Sethos, Ramses und die Schutztruppen sind
verschollen.«
    »Hast du genauere Auskünfte?«
    »Es ist doch nun schon sehr lange her, daß sie in die
Wüste aufbrachen, um die Goldgräber zu finden, und all die Gerüchte verheißen
nichts Gutes.«
    »Hör sie dir einfach nicht an. Wenn Sethos tot wäre,
wüßte ich es.«
    »Wieso?«
    »Zwischen deinem Vater und mir bestehen unsichtbare
Bande. Selbst wenn wir fern voneinander sind, bleiben wir vereint. Beruhige
dich also.«
    »Du mußt ein Einsehen haben. Der König und seine
Truppen müßten längst zurück sein. Wir können das Land nicht einfach verwaist
lassen.«
    »Der Wesir und ich erledigen die laufenden Geschäfte.«
    »Wünschst du meine Unterstützung?«
    »Erfülle deine Aufgaben und begnüge dich damit. Ein
größeres Glück gibt es auf Erden nicht. Solltest du dennoch weiterhin besorgt
sein, warum setzt du dich dann nicht an die Spitze eines Suchtrupps und folgst
den Spuren deines Vaters und deines Bruders?«
    »Da ist noch etwas anderes, das wir nicht verstehen,
etwas Merkwürdiges. Die bösen Geister der Wüste verschlingen alle, die ihr das
Gold zu entreißen suchen. Ist es nicht meine Pflicht, hier auszuharren?«
    »Höre auf die Stimme deines Gewissens.«
    Keiner der beiden Boten, die Sethos im Abstand von
vier Tagen ausgesandt hatte, erreichte Ägypten. Auf dem Weg ins Tal lauerten
ihnen Sandläufer auf, töteten sie, beraubten sie ihrer Kleidung und zerbrachen
die von Ramses

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