RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts
hockst
nicht in deiner Stube? Das grenzt ja an ein Wunder!«
»Eher an ein Erdbeben.«
»Welcher Hexenmeister hat dich denn aus deiner Höhle
gelockt?«
»Ramses ist Opfer einer Verschwörung.«
»Dein überhitzter Geist gaukelt dir etwas vor.«
»Er ist in der östlichen Wüste verschollen, auf dem
Goldgräberpfad, und Sethos ist auch dabei.«
»Ramses soll sich verirrt haben?«
»Seit zehn Tagen gibt es keinerlei Nachricht mehr von
ihm.«
»Gab es vielleicht eine Verspätung bei den
Kundschafterdiensten?«
»Nein, ich war schon dort. Und das ist noch nicht
alles.«
»Was denn noch?«
»Königin Tuja hat die Verschwörung angezettelt.«
Setaou hätte beinahe alles verschüttet. Er schaute
sich nach dem jungen Schreiber um.
»Hast du den Verstand verloren?«
»Ich habe um eine Unterredung gebeten, und sie wurde
mir verwehrt.«
»Das ist doch nichts Außergewöhnliches.«
»Ich erfuhr, die Königin erachte die Lage als völlig
normal. Sie habe keinerlei Befürchtung und beabsichtige nicht, einen Suchtrupp
loszuschicken.«
»Das mag ein Gerücht sein.«
»Ich habe es von Nefertari, der neuen Hofmeisterin der
Königin.«
Setaou schien beklommen.
»Du glaubst also, Tuja habe versucht, sich ihres
Gemahls zu entledigen, um selbst die Macht zu übernehmen? Das ist höchst
unwahrscheinlich!«
»Die Tatsachen lassen sich nicht leugnen.«
»Sethos und Tuja sind doch eng verbunden.«
»Warum verweigert sie ihm dann jede Hilfe? Es ist doch
offensichtlich. Sie hat ihn in den sicheren Tod geschickt, um den Thron zu
besteigen.«
»Selbst wenn du recht hättest, was sollten wir tun?«
»Wir müssen Ramses suchen.«
»Und mit welchem Heer?«
»Du und ich, das genügt.«
Setaou stand auf.
»Du willst stundenlang durch die Wüste hecheln? Du
bist wirklich von Sinnen, mein armer Ameni.«
»Machst du mit?«
»Natürlich nicht!«
»Du läßt Ramses im Stich?«
»Wenn deine Vermutung stimmt, ist er bereits tot.
Warum dann noch unser Leben aufs Spiel setzen?«
»Einen Esel und Wasservorräte habe ich schon. Gib mir
noch eine Arznei gegen Schlangenbiß.«
»Damit könntest du nichts anfangen.«
»Dann habe Dank für alles.«
»Bleib! Was du vorhast, ist Wahnsinn!«
»Ich stehe in Ramses’ Diensten. Man bricht sein Wort
nicht.«
Ameni kletterte auf seinen Esel und schlug den Weg zur
östlichen Wüste ein. Bald schon war er gezwungen, anzuhalten. Er legte sich mit
angezogenen Beinen auf den Rücken, um seine Gliedmaßen zu entspannen, während
das Grautier im Schatten einer Persea ein paar vertrocknete Grasbüschel kaute.
Im Halbschlaf sann der junge Schreiber darüber nach,
daß er sich vielleicht einen Stock verschaffen müßte. Vielleicht müßte er ja
kämpfen?
»Hast du schon aufgegeben?«
Ameni öffnete die Augen und fuhr hoch.
Da stand Setaou vor ihm, mit fünf Eseln, die mit
Wasserschläuchen und allem, was man für den Kampf gegen die Wüste brauchte,
beladen waren.
ZWEIUNDVIERZIG
iset, die schöne, stürmte herein, während Chenar und einige Würdenträger
sich an Rinderbraten mit würziger Soße ergötzten.
»Wie könnt ihr euch den Bauch vollschlagen, während
Ägypten in Gefahr ist!«
Die Würdenträger blickten betreten drein. Chenar erhob
sich, entschuldigte sich und verließ mit der jungen Frau den Speisesaal.
»Was soll dieser Überfall?«
»Laß meinen Arm los!«
»Du untergräbst deinen Ruf. Weißt du nicht, daß meine
Gäste hohe Persönlichkeiten sind?«
»Ich pfeif darauf!«
»Warum diese Aufregung?«
»Weißt du denn nicht, daß Sethos und Ramses in der
östlichen Wüste verschollen sind?«
»Die Königin ist anderer Ansicht.«
Iset, die Schöne, war entwaffnet.
»Die Meinung der Königin…«
»Meine Mutter ist überzeugt, daß der Pharao nicht in
Gefahr ist.«
»Aber kein Mensch hat irgendwelche Nachricht!«
»Du erzählst mir nichts Neues.«
»Du mußt Truppen ausheben und sie suchen gehen.«
»Etwas gegen den Willen meiner Mutter zu tun wäre ein
unverzeihlicher Fehltritt.«
»Weiß sie denn etwas?«
»Sie spürt es.«
Die junge Frau riß die Augen auf.
»Soll das ein übler Scherz sein?«
»Die Wahrheit, liebe Iset, das ist nichts als die
Wahrheit.«
»Was bedeutet dieses unvorstellbare Verhalten?«
»Daß bei Abwesenheit des Pharaos die Königin regiert
und wir gehorchen.«
Chenar war nicht unzufrieden. Die aufgeregte und
besorgte Iset würde den schlimmsten Gerüchten über Tuja neue Nahrung geben. Der
hohe Rat müßte sie um
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