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RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts

RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts

Titel: RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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faltigem Gesicht, das ein
langer weißer Bart zierte. Er aß langsam und beträufelte sämtliche Speisen mit
Olivenöl.
    »Dies ist der Schlüssel zur Gesundheit, mein Prinz!«
    »Mein Name ist Ramses.«
    »Und meiner Homer.«
    »Bist du Heerführer?«
    »Nein, Dichter. Mein Augenlicht ist schlecht, doch
mein Gedächtnis hervorragend.«
    »Ein Dichter neben diesem grobschlächtigen Kerl
Menelaos?«
    »Die Winde hatten mir kundgetan, daß seine Schiffe
nach Ägypten segelten, dem Land der Weisheit und der Dichter. Nach langem
Reisen möchte ich mich hier niederlassen, um in Ruhe zu arbeiten.«
    »Ich bin gegen einen längeren Aufenthalt von
Menelaos.«
    »Mit welcher Befugnis?«
    »Der des Regenten.«
    »Du bist noch recht jung, und du haßt die Griechen?«
    »Ich sprach von Menelaos, nicht von dir. Wo möchtest
du wohnen?«
    »Wo es sich angenehmer leben läßt als auf einem
Schiff! Dort bin ich beengt, mein Hab und Gut ist im Schiffsrumpf gestapelt,
und die Gesellschaft der Seeleute ist schwer zu ertragen. Wellengang, Wogen und
Stürme sind der Eingebung abträglich.«
    »Würdest du meine Hilfe annehmen?«
    »Du sprichst fehlerfreies Griechisch.«
    »Einer meiner Freunde ist Gesandter und spricht viele
Sprachen, so habe auch ich es spielerisch erlernt.«
    »Hast du Freude an der Dichtkunst?«
    »Du wirst an unseren großen Dichtern Gefallen finden.«
    »Wenn wir gemeinsame Vorlieben haben, können wir uns
vielleicht verstehen.«
    Chenar erfuhr die Entscheidung des Pharaos aus dem
Munde Mebas: Menelaos wurde gestattet, sich in Ägypten aufzuhalten. Seine
Schiffe sollten instand gesetzt, seine Soldaten ägyptischem Oberbefehl
unterstellt und strengen Regeln unterworfen werden, und er selbst sollte in
einem geräumigen Haus mitten in Memphis wohnen.
    Dem älteren Sohn des Pharaos oblag es nun, Menelaos
die Geheimnisse der Hauptstadt nahezubringen. Tagelang und häufig unter größten
Mühen versuchte Chenar den Griechen in die Grundlagen der ägyptischen Kultur
einzuweisen, doch dabei stieß er auf einen Widerstand, der schon fast eine
Unhöflichkeit war.
    Die Bauwerke hingegen beeindruckten Menelaos.
Angesichts der Tempel hielt er mit Bewunderung nicht zurück.
    »Was für großartige Festungen! Sie zu erstürmen dürfte
kein Kinderspiel sein.«
    »Es sind die Wohnstätten der Gottheiten«, erklärte
Chenar.
    »Der Kriegsgottheiten?«
    »Nein. Ptah ist der Oberste Leiter der Handwerker, der
die Welt durch das Wort prägt, und Hathor ist die Göttin der Freude und der
Musik.«
    »Warum benötigen sie Festungen mit so dicken Mauern?«
    »Die göttliche Lebenskraft ist in Hände gelegt, die
sie vor Entweihung zu schützen wissen. Um in den überdachten Tempel eingelassen
zu werden, muß man erst eingeweiht werden in gewisse Geheimnisse.«
    »Mit anderen Worten, ich, der König von Lakedämon,
Sohn des Zeus und Sieger über Troja, habe nicht das Recht, über die Schwelle
dieser vergoldeten Türen zu treten!«
    »So ist es, bei gewissen Festlichkeiten wird dir,
sofern der Pharao zustimmt, vielleicht gestattet, in den großen Hof unter
freiem Himmel einzutreten.«
    »Und welches Geheimnis wird mir da enthüllt?«
    »Die große Opferhandlung zu Ehren der Gottheit, die in
diesem Tempel wohnt und der Erde ihre Lebenskraft spendet.«
    »Pah!«
    Chenar bewies unendliche Geduld, und obwohl Menelaos’
Gebaren und Reden nicht gerade von feiner Lebensart zeugten, fühlte Chenar sich
irgendwie angezogen von diesem Fremden mit dem verschlagenen Blick. Sein Gespür
veranlaßte ihn, ihm besondere Aufmerksamkeit zu schenken, um die empfindliche
Stelle ausfindig zu machen.
    Immer wieder kam Menelaos auf die zehn Jahre Krieg
zurück, die den Untergang Trojas besiegelt hatten. Er beklagte das grausame
Geschick seiner Verbündeten, die den Feinden zum Opfer gefallen waren,
verurteilte Helenas Verhalten und wünschte sich nichts sehnlicher, als daß
Homer, der die Heldentaten der Sieger verewigen würde, ihm die Hauptrolle
zuteilen möge.
    Chenar suchte in Erfahrung zu bringen, wie Troja
bezwungen worden war. Menelaos berichtete von wüstem Handgemenge, von der
Unerschrockenheit Achills und anderer Helden und von ihrem unbeugsamen Willen,
Helena zurückzuerobern.
    »War in solch einem langen Krieg denn gar nichts mit
List zu erreichen?« fragte Chenar hinterhältig.
    Menelaos stutzte, antwortete dann aber doch.
    »Odysseus kam auf den Gedanken, ein großes Holzpferd
fertigen zu lassen, um Soldaten darin zu verstecken, und die Troer waren

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