RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts
Art?«
»Deine Mutter gibt sich mit den Ergebnissen der
amtlichen Nachforschungen nicht zufrieden.«
Chenar verzog das Gesicht.
»Nur eine Laune?«
»Weit mehr.«
»Will sie etwa selbst nachforschen?«
»Sie hat den Obersten Palastwächter beauftragt.«
»Ein Schwachkopf.«
»In die Enge getrieben, könnte er unangenehm werden.«
»Lassen wir ihn erst einmal strampeln.«
»Und wenn er etwas herauskriegt?«
»Das ist unwahrscheinlich.«
»Wäre es nicht ratsam, ihm eine Warnung zu verpassen?«
»Da fürchte ich eher eine unvorhersehbare Reaktion.
Dummköpfe bringt man nicht so leicht zur Vernunft. Außerdem wird er keine heiße
Spur finden.«
»Wie lautet dein Befehl?«
»Beobachte ihn und halte mich auf dem laufenden.« Der
Mann ging, und Chenar wandte sich wieder seinen Gästen zu. Trotz seines
Unbehagens machte er eine gute Figur.
SIEBZEHN
die flussstreife überwachte die Einfahrt in den Nordhafen von Memphis,
um Unfälle zu vermeiden. Jedes Schiff mußte sich ausweisen und, wenn großer
Andrang herrschte, warten, bevor es an dem zugewiesenen Platz anlegen durfte.
Der Oberaufseher der Hauptfahrrinne beobachtete das
Geschehen. Jetzt, um die Mittagszeit, lichtete sich der Verkehr, da konnte er
sich schon etwas Zerstreuung gönnen. Von der Spitze des weißen Turms
betrachtete der Mann nicht ohne Stolz den Nil, die Kanäle und das grünende
Land, das sich weit geöffnet dem Delta entgegenstreckte. In weniger als einer
Stunde, sobald die Sonne den Zenit überschritten hatte, würde er heimgehen in
den südlichen Vorort der Stadt, sich ein erquickendes Schläfchen gönnen und
dann mit seinen Kindern spielen.
Sein Magen meldete Hunger, er genehmigte sich einen
mit frischem Salat gefüllten Fladen. Seine Arbeit war anstrengender, als es
schien, denn sie verlangte große Achtsamkeit.
Aber was war denn das? Das war doch merkwürdig!
Zuerst glaubte er an ein Trugbild, an das Spiel des
Sommerlichts auf dem Blau des Flusses. Dann aber vergaß er sogar sein Essen und
heftete den Blick auf dieses unglaubliche Boot, das sich zwischen zwei
Lastkähnen, die Amphoren und Getreidesäcke geladen hatten, hindurchschlängelte.
Das war doch tatsächlich ein Papyrusboot… Und an Bord
ein kräftiger junger Mann, der mit erstaunlicher Geschwindigkeit die Ruder
durchs Wasser zog.
Für gewöhnlich kam solch ein Nachen nicht aus dem
Wasserlabyrinth des Deltas. Vor allem aber war er nicht eingetragen in die
Liste der Schiffe, die an diesem Tag verkehren durften! Mit einem Spiegel gab
der Aufseher seiner Eingreiftruppe ein Lichtsignal.
Drei schnelle Boote mit gut ausgebildeter
Rudermannschaft jagten dem Eindringling entgegen und zwangen ihn zum Halt.
Prinz Ramses ging, begleitet von zwei Wachleuten, an Land.
Iset, die Schöne, ließ ihrem Zorn freien Lauf.
»Wieso weigert sich Ramses, mich zu empfangen?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Ameni, dessen Kopf noch
schmerzte.
»Ist er krank?«
»Ich hoffe nicht.«
»Hat er mit dir über mich gesprochen?«
»Nein.«
»Du könntest ruhig etwas redseliger sein, Ameni!«
»Das verträgt sich nicht mit meinem Amt.«
»Ich werde morgen wiederkommen.«
»Wie behebt.«
»Versuche, etwas zuvorkommender zu sein. Wenn du mir
seine Tür öffnest, wirst du belohnt werden.«
»Mein Lohn hier genügt mir.«
Die junge Frau zuckte mit den Achseln und ging.
Ameni war ratlos. Seit Ramses aus dem Delta zurück
war, hatte er sich in seinem Zimmer eingeschlossen und noch kein Wort
gesprochen. Er nippte nur an den Mahlzeiten, die sein Freund ihm brachte, las
wieder in den Lehren des weisen Ptah-hotep oder saß einfach auf der Terrasse,
von wo aus er die Stadt und in der Ferne die Pyramiden von Gizeh und Sakkara
betrachtete.
Da es Ameni nicht gelang, seine Aufmerksamkeit zu
wecken, hatte er Ramses zumindest das Ergebnis seiner Nachforschungen
mitgeteilt. Wie aus Urkunden hervorging, gehörte die Werkstatt ohne jeden
Zweifel einer hochgestellten Persönlichkeit, die zahlreiche Handwerker
beschäftigte. Insgesamt aber stieß Ameni gegen eine Mauer des Schweigens, die
er nicht zu durchbrechen vermochte.
Wächter hatte seinen Herrn überglücklich empfangen und
wich nicht mehr von seiner Seite, aus Angst, ihn von neuem zu verlieren. Er
bettelte um Liebkosungen oder legte sich dem Prinzen zu Füßen. Dieser goldgelbe
Hund mit den Hängeohren und dem Ringelschwanz nahm seine Wächterrolle
unvermindert ernst. Er allein erfuhr Vertraulichkeiten von Ramses.
Am Abend vor dem
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