RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts
meinte Ameni.
»Zu Recht, das glaubst du doch auch? Eine Anklage ohne
Beweise wäre ein schweres Vergehen.«
»Das höre ich gern aus deinem Mund. Weißt du
eigentlich, daß du Sethos immer ähnlicher wirst?«
»Ich bin sein Sohn.«
»Chenar ebenfalls, auch wenn man daran zweifeln
möchte.«
Ramses war nervös. Wieso war Moses kurz vor seiner
Abreise zum Harim Mer-Our in den Palast bestellt worden? Während der Expedition
hatte der Freund keinen Fehler begangen. Im Gegenteil, Grubenarbeiter wie
Offiziere waren des Lobes voll gewesen für den jungen Versorgungsbeamten und
hatten ihn den anderen als Vorbild hingestellt. Aber üble Nachrede und
Verleumdung gab es ja immer. Seine Beliebtheit hatte vielleicht einen hochgestellten
Dummkopf in den Schatten gestellt.
Ameni schrieb unbeirrbar weiter.
»Bist du nicht besorgt?«
»Wegen Moses? Nein. Er ist von deiner Art: je mehr man
ihm abverlangt, desto stärker wird er.«
Diese Behauptung vermochte Ramses nicht zu beruhigen.
Der Hebräer hatte einen so ausgeprägten Charakter, daß er eher Eifersucht als
Hochachtung weckte.
»Anstatt zu grübeln«, riet Ameni, »solltest du lieber
die letzten königlichen Verfügungen lesen.«
Der Prinz machte sich mit Eifer an die Arbeit, konnte
sich jedoch nur schwer konzentrieren. Immer wieder sprang er auf und lief auf
der Terrasse hin und her.
Kurz vor Mittag sah er Moses aus dem
Verwaltungsgebäude, wohin er bestellt worden war, herauskommen. Da er es nicht
mehr erwarten konnte, rannte er die Treppe hinab und eilte ihm entgegen.
Der Hebräer wirkte fassungslos.
»Los, sag schon!«
»Man bietet mir den Posten eines Vorarbeiters auf den
königlichen Baustellen an.«
»Dann ist es also aus mit dem Harim?«
»Ich werde von Stadt zu Stadt ziehen und unter Leitung
eines Baumeisters die Arbeiten an Tempel- und Palastbauten überwachen.«
»Hast du angenommen?«
»Ist das denn nicht besser als das einlullende Dasein
im Harim?«
»Dann ist es ja eine Beförderung! Acha ist in der
Stadt, Setaou ebenfalls, also werden wir heute abend feiern.«
ACHTUNDZWANZIG
die ehemaligen schüler des Kap verbrachten einen angeregten Abend.
Tänzerinnen vertrieben den jungen Männern die Zeit. Wein, duftende Braten und
Süßspeisen wurden gereicht. Setaou erzählte ein paar Schlangenanekdoten und
verriet, wie er schöne Frauen verführte, indem er sie vor einem Reptil rettete,
das er zuvor selbst in ihre Privatgemächer eingeschleust hatte. Dieses, wie er
selbst fand, etwas ungehörige Verfahren ersparte ihm endloses Vorgeplänkel.
Jeder erzählte, was ihm bevorstand: Ramses würde zur
Armee gehen, Ameni die Schreiberlaufbahn fortsetzen, Acha Diplomat werden,
Moses die öffentlichen Bauvorhaben überwachen, und Setaou würde sich weiterhin
seinen geliebten Kriechtieren widmen. Wann würden sie sich wohl wiedersehen, so
glücklich und siegesgewiß?
Setaou zog sich als erster zurück, in Begleitung einer
nubischen Tänzerin, die ihm rührende Blicke zugeworfen hatte. Moses mußte noch
ein paar Stündchen schlafen, bevor er nach Karnak aufbrach, wo Sethos ein riesiges
Bauvorhaben geplant hatte. Ameni, der das Trinken nicht gewohnt war,
schlummerte auf weichen Kissen. Die Nacht war erfüllt von Duft.
»Eigenartig«, sagte Acha zu Ramses, »die Stadt scheint
so friedlich.«
»Sollte es denn anders sein?«
»Meine Reisen durch den Osten und Nubien haben mir die
Augen geöffnet. Wir leben und wiegen uns in Sicherheit. Doch im Norden wie im
Süden haben mehr oder minder furchterregende Völker nichts anderes im Sinn, als
sich unserer Reichtümer zu bemächtigen.«
»Im Norden sind es die Hethiter, aber wer lauert im
Süden?«
»Solltest du die Nubier vergessen haben?«
»Die sind doch schon seit langer Zeit unsere
Untertanen.«
»Das glaubte ich auch, bis ich dorthin kam, mit dem
Auftrag, den Stand der Dinge etwas genauer zu erforschen. Die Zungen lösten
sich, und ich hörte, was hinter den Kulissen geredet wurde, und kam einer
Wirklichkeit nahe, die ganz anders ist, als man hier bei Hof glaubt.«
»Du drückst dich recht rätselhaft aus.«
Der vornehme und elegante Acha schien so gar nicht
geschaffen für lange Reisen durch unwirtliche Landstriche. Dennoch war er stets
ausgeglichen, wurde nie laut und legte eine unerschütterliche Ruhe an den Tag.
Seine innere Kraft und seine geistige Regsamkeit erstaunten einen jeden. Jetzt
wurde auch Ramses klar, daß er niemals eine von Acha vorgetragene Meinung
überhören durfte. Seine
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