RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts
beirren.
»Ich bin königlicher Schreiber und höherer Offizier,
es fehlt mir nur eine formgerechte Einberufung zu einem Feldzug. Gib sie mir.«
Chenar ging unschlüssig auf und ab und setzte sich
wieder.
»Das geht nicht.«
»Warum nicht?«
»Es ist gefährlich.«
»Machst du dir Sorgen um meine Gesundheit?«
»Ein Prinz von Geblüt kann sich solchen Gefahren, die
schwer abzuschätzen sind, nicht aussetzen.«
»Wird der Pharao etwa nicht selbst seine Truppen ins
Feld führen?«
»Laß ab von diesem Plan, dein Platz ist nicht dort.«
»Im Gegenteil!«
»Mein Entschluß ist unwiderruflich.«
»Dann werde ich mich eben an meinen Vater wenden.«
»Keinen Skandal, Ramses, das Land hat andere Sorgen;
ein alberner Zwischenfall…«
»Hör auf, dich mir in den Weg zu stellen, Chenar.« Das
Mondgesicht des Thronerben verhärtete sich. »Was wirfst du mir vor?«
»Bekomme ich meine Ernennung?«
»Diese Entscheidung obliegt dem König.«
»Anhand deines Vorschlags…«
»Darüber muß ich nachdenken.«
»Dann beeil dich.«
Acha blickte um sich. Ein recht großer Raum, zwei klug
angeordnete Fenster, die für Durchlüftung sorgten, Wände und Decke mit
Blumenornamenten und roten und blauen geometrischen Mustern verziert, ein paar
Stühle, ein niedriger Tisch, ein paar gute Matten, Truhen mit viel Stauraum,
ein Schrank für die Papyrusrollen… Das Arbeitszimmer, das man ihm soeben
zugeteilt hatte hier im Amt der Gesandten, erschien ihm durchaus angemessen.
Nicht vielen Beamten seines Alters wurde eine solche Ausstattung zuteil.
Acha diktierte seinem Schreiber die Briefe, empfing
Amtsbrüder, die begierig waren, den jungen Mann kennenzulernen, den man höheren
Orts als Phänomen einstufte, und hieß dann Chenar willkommen, der jeden
vielversprechenden neuen Beamten persönlich näher kennenlernen wollte.
»Zufrieden?«
»Schon mit weniger wäre man zufrieden.«
»Der König hat deine Arbeit hoch bewertet.«
»Möge stets alles, was ich als ergebener Diener Seiner
Majestät tue, zu ihrer Zufriedenheit ausfallen.«
Chenar schloß die Tür und sprach in gedämpftem Ton
weiter.
»Auch ich schätze deine Arbeit hoch ein. Du hast es
erreicht, daß Ramses mit gesenktem Kopf in die Falle gerannt ist: er träumt nur
noch davon, in Nubien zu kämpfen! Natürlich habe ich, um ihn anzuheizen, erst
einmal seine Forderungen zurückgewiesen und nur allmählich nachgegeben.«
»Ist er nun ernannt?«
»Der Pharao wird sich bereit erklären, ihn nach Nubien
mitzunehmen, damit er zum erstenmal an vorderster Front steht. Ramses ahnt ja
nicht, daß die Nubier gefährliche Krieger sind und der Aufruhr, der dort
lodert, blutig enden kann. Sein Ausflug in die Türkisberge hat seinen Eifer
geweckt, er hält sich bereits für einen alten Kämpfer. Von sich aus wäre er
nicht auf den Gedanken gekommen, sich zu melden. Haben wir das nicht fein
eingefädelt, mein Lieber?«
»Ich hoffe.«
»Und wenn wir jetzt von dir sprächen, Acha? Ich bin
nicht undankbar, und deine Begabung als Gesandter hast du glanzvoll bewiesen.
Noch ein wenig Geduld, noch ein oder zwei beachtliche und beachtete Berichte,
und die Beförderungen werden sich reihen.«
»Ich habe nur den Ehrgeiz, meinem Land zu dienen.«
»Ich auch, das versteht sich doch von selbst. Aber
eine höhere Stellung erleichtert wirkungsvolles Tun. Interessierst du dich für
den Osten?«
»Genießt er nicht bereits Vorrang in unseren
diplomatischen Bemühungen?«
Ȁgypten braucht Fachleute deiner Statur. Bilde dich
weiter, lerne, horche dich um und sei mir ergeben, du wirst es nicht zu bereuen
haben.« Acha verneigte sich.
Obgleich das ägyptische Volk Waffengänge nicht schätzte,
weckte Sethos’ Abmarsch gen Nubien kaum Besorgnis. Wie sollten diese
barbarischen Stämme einer mächtigen und gut organisierten Armee denn schon
standhalten? Dieser Feldzug glich eher einem Eingriff von Ordnungshütern als
einem wirklichen Kampf. Nach harter Bestrafung würden diese Aufrührer nicht so
bald den Kopf erheben und Nubien wieder eine friedliche Provinz sein.
Dank der warnenden Worte Achas wußte Chenar, daß die
Ägypter auf heftigen Widerstand stoßen würden. Mit jugendlichem Überschwang
würde Ramses sich bemühen, seine Tapferkeit unter Beweis zu stellen. In der
Vergangenheit hatten nubische Pfeile und Beile dem Leben unvorsichtiger
Soldaten, die nur allzu überzeugt waren von ihrer Überlegenheit, ein schnelles
Ende gesetzt. So konnte man hoffen, daß es Ramses ähnlich
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