RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts
den
vorderen Teil des Schädels rasiert, platte Nasen, wulstige Lippen, goldene
Ringe in den Ohren, Federn im kurzen krausen Haar, die Wangen voller
Ritualnarben. Die Soldaten trugen einen kurzen Schurz aus gefleckter Tierhaut,
die Anführer weiße Hemden mit roten Gürteln.
Es war zwecklos, ihnen zuzurufen, sich zu ergeben.
Sobald sie des Elefanten und der ägyptischen Vorhut ansichtig wurden, stürzten
sie sich auf ihre Bögen und begannen zu schießen. Ihre Eile wurde ihnen jedoch
zum Verhängnis, weil sie auseinanderliefen, während die ägyptischen Sturmwellen
ruhig und entschlossen heranrollten.
Sethos’ Bogenschützen setzten die nubischen Krieger,
die kopflos handelten und einander behinderten, schnell außer Gefecht. Dann
stürmten die Lanzenträger das Lager von hinten und machten jene nieder, die
gerade ihre Schleudern bestückten. Die mit Schutzschild ausgerüsteten
Fußtruppen wehrten einen verzweifelten Ansturm mit Beilen ab und durchbohrten
ihre Gegner mit dem Kurzschwert.
Die überlebenden Nubier warfen in Todesangst ihre
Waffen von sich und fielen auf die Knie; sie flehten die Ägypter an, sie zu
verschonen.
Sethos hob den rechten Arm, und sofort stockte der
Kampf, der ohnehin nicht lange gedauert hatte. Den Besiegten wurden die Hände
auf den Rücken gebunden.
Doch der Elefant war noch nicht fertig mit seinen
Feinden; er riß das Dach von der größten Hütte und zerfetzte die Wände. Zwei
Nubier wurden sichtbar, der eine groß und würdevoll, ein breites Band aus rotem
Stoff zur Schärpe gebunden, der andere klein und drahtig, der sich hinter einem
Strohkorb zu schützen suchte.
Dieser war es, der dem Riesen seinen Speer in den
Rüssel gerammt hatte, um ihn zu verwunden. Wie eine reife Frucht packte ihn
jetzt die Rüsselspitze, schloß sich um seinen Leib und ließ ihn ein Weilchen in
der Luft strampeln. Brüllend und fuchtelnd mühte der Mann sich, aus diesem
Schraubstock freizukommen. Als der Riese ihn auf dem Boden absetzte, glaubte er
sich gerettet, doch als er zur Flucht ansetzte, zermalmte ein riesiger Fuß ihm
den Schädel. Ohne viel Aufhebens zerquetschte der Elefant den Mann, der ihm so
viel Leid zugefügt hatte.
Ramses wandte sich an den großen Nubier, der sich
nicht von der Stelle gerührt hatte. Mit über der Brust verschränkten Armen
hatte er das Geschehen beobachtet.
»Bist du der Häuptling?«
»Das bin ich, in der Tat. Du bist recht jung und hast
uns eine solche Lektion erteilt.«
»Die Ehre gebührt dem Pharao.«
»So hat er sich persönlich herbemüht. Das erklärt die
Warnung der Zauberer, die prophezeit hatten, wir könnten nicht siegen. Wir
hätten auf sie hören sollen.«
»Wo halten sich die anderen Aufständischen versteckt?«
»Ich werde es dir sagen, sie aufsuchen und ihnen
raten, sich zu ergeben. Wird der Pharao ihnen dann das Leben schenken?«
»Das wird er entscheiden.«
Sethos gönnte seinen Feinden keinen Aufschub. Noch am
gleichen Tag griff er zwei weitere Lager an. In keinem von beiden hatte der
besiegte Häuptling mit seinem Aufruf zu Mäßigung Gehör gefunden. Die Kämpfe
waren von kurzer Dauer, da die Nubier planlos vorgingen. Eingedenk der
Voraussagen der Zauberer und angesichts der flammenden Augen Sethos’ fühlten
viele von ihnen sich wie gelähmt. Wenn sie es recht bedachten, war der Krieg
ohnehin schon verloren.
Sethos machte sechshundert Gefangene, und es kamen
noch vierundfünfzig junge Männer, Sechsundsechzig junge Mädchen und
achtundvierzig Kinder hinzu, die in Ägypten erzogen werden und dann nach Nubien
zurückkehren sollten. Als Vermittler einer Kultur, die ihre eigene ergänzte und
auf Frieden mit dem mächtigen Nachbarn ausgerichtet war.
Der König vergewisserte sich außerdem, daß auch die
gesamte Provinz Irem befreit war und jeder Bewohner dieses an fruchtbarem
Ackerland so reichen Bezirks wieder Zugang hatte zu den Brunnen, die die
Aufständischen sich angeeignet hatten. Von nun an würde der Vizekönig von Kusch
jeden Monat die Gegend inspizieren, um neuem Aufruhr vorzubeugen. Er würde sich
die Forderungen der Bauern anhören und versuchen, ihre Wünsche zu befriedigen.
Bei wichtigen Streitfragen würde der Pharao entscheiden.
Ramses war wehmütig gestimmt; Nubien zu verlassen
machte ihn traurig. Er hatte nicht gewagt, seinen Vater um den Posten eines
Vizekönigs zu bitten, für den er sich geschaffen fühlte. Er war zwar mit diesem
Gedanken im Kopf vor ihn hingetreten, doch als er Sethos’ Blick sah, hatte er
sich
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