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RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts

RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts

Titel: RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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Kriechern werden und die
Nase am Boden tragen, um ihm nur nicht zu mißfallen.
    Die allwissenden Höflinge beteuerten, der König werde
nach dem Morgenritus in Karnak im Barkensaal des Tempels von Kurna Gott Amun
ein besonderes Opfer darbringen, damit sein Ka erhoben und er seiner
Lebenskraft nicht beraubt werde. Das sei auch der Grund für diese Verspätung, die
für die älteren Würdenträger recht anstrengend war. Sethos war oft recht
unbarmherzig, und Chenar nahm sich vor, derartige Fehler zu vermeiden und die
Schwächen der einen wie der anderen besser zu nutzen.
    Ein Priester mit kahlgeschorenem Schädel und in
schlichtem, weißem Gewand trat aus dem überdachten Tempel. Mit einem langen
Stab bahnte er sich seinen Weg. Verwundert traten die zu dieser neuartigen
Zeremonie Geladenen beiseite, um ihm Platz zu machen.
    Der Priester blieb vor Ramses stehen.
    »Folge mir, Prinz.«
    In den Reihen der Frauen entstand Gemurmel, als sie
Ramses’ Schönheit und Stattlichkeit gewahrten. Iset war verzückt vor
Bewunderung, und Chenar lächelte. So hatte er es also doch erreicht, daß sein
Bruder noch vor dem Opet-Fest zum Vizekönig von Nubien ernannt und unverzüglich
in diese von ihm heißgeliebte ferne Provinz entsandt wurde.
    Ramses trat hinter dem Priester über die Schwelle des
überdachten Tempels und folgte ihm in den linken Flügel des Bauwerks.
    Die Zederntür schloß sich hinter ihnen, und der
Priester geleitete Ramses zwischen zwei Säulen, die sich vor drei Kapellen
erhoben. Dort herrschte noch Dunkelheit, doch aus der mittleren hallte eine
tiefe Stimme. Die des Vaters?
    »Wer bist du?«
    »Mein Name ist Ramses, ich bin der Sohn des Pharaos Sethos.«
    »An diesem verborgenen Ort, zu dem kein Ungeweihter
Zugang hat, huldigen wir der ewigen Gegenwart Ramses’, unseres Ahnherrn und
Begründers unserer Dynastie. Sein in die Wände geritztes Antlitz wird ewig
leben. Bist du bereit, ihm zu huldigen und ihn zu verehren?«
    »Ich bin es.«
    »In diesem Augenblick bin ich Amun, der verborgene
Gott. Tritt näher, mein Sohn.«
    Die Kapelle erstrahlte.
    Auf zwei Thronsesseln hatten Sethos und Königin Tuja
Platz genommen. Der Pharao trug die Amunkrone mit den zwei langen Federn und
Tuja die weiße Krone der Göttin Mut. Königspaar und Götterpaar waren eins
geworden. Ramses war dem Gottessohn gleichgesetzt und vervollständigte so die
geheiligte Dreiheit.
    Der junge Mann war verwirrt. Er hatte sich die
Verwirklichung des Mythos, dessen Bedeutung nur in der Verschwiegenheit der
Tempel offenbart wurde, so nicht vorgestellt. Und er sank vor diesen beiden
Wesen auf die Knie, denn ihm war bewußt, daß sie weit mehr waren als Vater und
Mutter.
    »Mein geliebter Sohn«, fuhr Sethos fort, »empfange von
mir das Licht.«
    Der Pharao drückte Ramses die Hände aufs Haupt. Die
große königliche Gemahlin tat es ihm nach.
    Im gleichen Augenblick verspürte der Prinz eine
sanfte, wohltuende Wärme. Aufregung und Anspannung fielen von ihm ab und
machten einer nie gekannten Energie Platz, die in jede Faser seines Körpers
eindrang. Von nun an würde er aus dem Geiste des königlichen Paares leben.
    Stille trat ein, als Sethos auf der Schwelle des
Tempels erschien, Ramses zu seiner Rechten. Der Pharao trug die Doppelkrone,
das Symbol für die Einheit Ober- und Unterägyptens; ein Diadem umspannte die
Stirn des Prinzen.
    Chenar zuckte zusammen.
    Dem Vizekönig von Nubien gebührte kein solches Emblem!
Das war ein Irrtum, ein wahnwitziges Mißverständnis!
    »Mein Sohn Ramses wird von nun an den Thron mit mir
teilen, damit ich zu Lebzeiten sein Handeln begutachten kann«, verkündete
Sethos mit seiner tiefen und kraftvollen Stimme. »Ich ernenne ihn zum Regenten
des Königreiches, und er soll teilhaben an all meinen Entscheidungen. Er wird
lernen, das Land zu regieren, über seine Einheit und sein Wohlergehen zu
wachen, er wird diesem Volk vorstehen und dessen Glück höher erachten als das
eigene. Er wird die äußeren und inneren Feinde abwehren und den Schwachen gegen
den Starken verteidigen, wie das Gesetz der Maat es verlangt. So soll es sein,
denn groß ist meine Liebe zu Ramses, dem Sohn des Lichts.«
    Chenar biß sich auf die Lippen. Der Alptraum würde
gewiß zerstieben, Sethos alles widerrufen, Ramses würde von seinem Podest
stürzen und auf die für seine sechzehn Jahre viel zu schwere Bürde verzichten.
Aber da sah Chenar, wie der Zeremonienmeister auf Befehl des Pharaos eine
goldene Uräusschlange an das Diadem heftete!

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