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Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel

Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel

Titel: Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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des Wissens vorangeschritten.
    Trotz seiner noch jungen Jahre sollte Kha bereits in die ersten Mysterien des Tempels eingeweiht werden. Als diese Neuigkeit am Hof von Pi-Ramses bekannt wurde, gerieten alle in Entzücken. Ohne jeden Zweifel war der erstgeborene Sohn des Königs für die höchsten Ämter im Dienste der Götter ausersehen.
    Kha nahm das Amulett ab, das er um den Hals trug, und das um sein linkes Handgelenk geschlungene Leinenband. Nackt und mit geschlossenen Augen wurde er in ein unterirdisches Gewölbe des Tempels geführt, um dort angesichts der an den Wänden dargestellten Geheimnisse der Schöpfung seine Gedanken zu sammeln. Vier männliche Frösche und vier weibliche Schlangen verkörperten die Paare, die der Erde einst ihre Gestalt gegeben hatten, Wellenlinien deuteten das Urmeer an, in dem die göttliche Kraft erwacht war, um das Weltall zu erschaffen, und eine himmlische Kuh gebar die Sterne.
    Darauf wurde der junge Mann zum Eingang in den Säulensaal geleitet, wo zwei Priester in der Ibis-Maske des Gottes Thot und in der Falken-Maske des Gottes Horus ihm kaltes Wasser über den Kopf und die Schultern gossen. Dann bekleideten sie ihn mit einem weißen Schurz und forderten ihn auf, den auf den Säulen dargestellten Gottheiten zu huldigen.
    Danach scharten sich zehn Priester mit kahlgeschorenen Köpfen um Kha. Er mußte unzählige Fragen beantworten: zum verborgenen Wesen des Gottes Arnim, zu den im Weltei eingeschlossenen Naturgewalten der Schöpfung, zur Bedeutung der wichtigsten Hieroglyphen, zu den magischen Sprüchen bei Opferriten und zu vielerlei Dingen, die nur ein erfahrener Schreiber fehlerlos darzulegen vermochte.

    Diejenigen, die ihm die Fragen stellten, enthielten sich jedweder Bemerkung zu seinen Antworten. In der Stille einer Kapelle mußte Kha auf ihren Spruch warten.
    Mitten in der Nacht nahm ihn ein bejahrter Priester an der Hand und führte ihn auf das Dach des Tempels. Er hieß ihn sich hinsetzen und den bestirnten Himmel betrachten, den Leib der Göttin Nut, die imstande war, den Tod in Leben zu verwandeln.
    In den Rang eines Bewahrers der Geheimnisse erhoben, dachte Kha nur an die herrlichen Tage, die er im Tempel verbringen würde. Dabei vergaß er im Überschwang seiner Gefühle das Leinenband und das Amulett, die ihn beschützen sollten und die er vor der Zeremonie abgelegt hatte.

    FÜNFUNDVIERZIG

    IN ABU SIMBEL BEGEISTERTE sich Setaou für eine Baustätte, der er sich mit gleichbleibender Tatkraft widmete, um dem Königspaar ein Denkmal zu errichten, das nicht seinesgleichen fand, in Theben trieb Bakhen die Arbeit an Ramses’ Tempel der Millionen Jahre voran, und die Hauptstadt mit den türkisfarbenen Fassaden wurde von Tag zu Tag schöner.
    Kaum war der Pharao nach Pi-Ramses zurückgekehrt, belagerte Ameni seine Amtsräume. Aus Angst, ihm könnte ein Fehler unterlaufen, arbeitete der Oberste Schreiber und Sandalenträger des Königs Tag und Nacht, ohne sich die kleinste Ruhepause zu gönnen. Beinahe kahlköpfig und trotz seines gesunden Appetits noch ein bißchen hagerer geworden, schlief der heimliche Vorsteher der ägyptischen Verwaltung nur wenig, wußte alles, was sich bei Hof ereignete, ohne jemals selbst dabei in Erscheinung zu treten, und lehnte beharrlich alle ehrenvollen Titel ab, die man ihm verleihen wollte. Obgleich er zuweilen über seinen empfindlichen Rücken und seine schmerzenden Knochen klagte, trug er selbst alle vertraulichen Schreiben, die er mit Ramses besprechen mußte, ohne sich um das Gewicht der Papyrusrollen und der hölzernen Tafeln zu kümmern.
    Immer noch stolz auf den Binsenhalter aus vergoldetem Holz, den der König ihm geschenkt hatte, verehrte er Ramses aufrichtig und fühlte, daß zwischen ihnen zwar unsichtbare, aber unzerreißbare Bande bestanden. Wie könnte er auch den Sohn des Lichts nicht bewundern, der jetzt schon in der langen Reihe der Dynastien den Platz eines herausragenden Vertreters des Pharaonentums einnahm? Jeden Tag beglückwünschte Ameni sich dazu, daß es ihm gegönnt war, zur Zeit Ramses’
    des Großen zu leben.
    «Bist du auf erhebliche Schwierigkeiten gestoßen, Ameni?»
    «Auf nichts, was nicht zu bewältigen gewesen wäre. Deine Mutter, Tuja, hat mir sehr geholfen. Wenn manche Beamte zuwenig guten Willen zeigten, griff sie entschieden ein. Unser Ägypten blüht und gedeiht, Majestät, aber wir dürfen nicht nachlässig werden. Versäumnisse bei der Instandhaltung der Kanäle, mangelnde Wachsamkeit beim

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