Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel
wohlgesinnt?»
«Heute heißt der König Hattuschili. Uriteschup ist nur noch ein Abtrünniger. Wenn sie den eingeschworenen Feind des neuen Herrschers umbringen, gewinnen sie seine Gunst.»
Der Sarde strich sich über seinen langen Schnurrbart.
«Mit anderen Worten: Ofir und Chenar sind nicht nur recht lebendig, sondern immer noch in Ägypten.»
«Chenar ist in Nubien verschwunden, und von Ofir hat man seit geraumer Zeit nichts mehr gehört.»
Serramanna ballte die Fäuste.
«Dieser fluchbeladene Magier hält sich vielleicht ganz in unserer Nähe auf. Die Aussagen, die seine Flucht nach Libyen bezeugten, waren nichts als Lügen, die mein Mißtrauen einschläfern sollten.»
«Hat Ofir nicht schon bewiesen, daß er es versteht, sich außer Reichweite zu bringen?»
«Nicht für mich, Ameni, nicht für mich…»
«Und wie wäre es, wenn du uns den ausnahmsweise lebend brächtest?»
Drei endlos lange Tage verdeckten dichte Wolken die Sonne über Pi-Ramses. In den Augen der Ägypter hing das vom Gott Seth verursachte Ungemach mit den Gefahren zusammen, von denen die Sendboten der Göttin Sachmet kündeten, mit Krankheiten und Unheil.
Ein einziges Wesen konnte verhindern, daß die Lage noch schlimmer wurde: die Große königliche Gemahlin, die irdische Verkörperung der zeitlosen Regel, die der Pharao durch Opfergaben nährte. In jenen Tagen prüfte jeder sich selbst und versuchte, ohne etwas zu beschönigen, auf den rechten Weg zurückzukehren. Nefertari nahm die Verfehlungen und Unzulänglichkeiten ihres Volkes auf sich und reiste nach Theben, in den Tempel der Mut, wo sie zu Füßen der Statue der gefürchteten Göttin Sachmet Opfergaben niederlegte, um die Finsternis wieder in Licht zu verwandeln.
In der Hauptstadt erklärte Ramses sich bereit, Moses zu empfangen, der lauthals beteuerte, die Dunkelheit über Pi-Ramses sei die neunte Plage, mit der Jahwe das ägyptische Volk heimsuche.
«Bist du endlich überzeugt, Pharao?»
«Du deutest nur Naturerscheinungen und schreibst sie deinem Gott zu. Das ist deine Sicht der Wirklichkeit, die dir gegönnt sei. Aber ich werde nicht hinnehmen, daß du im Namen einer Religion Unfrieden unter der Bevölkerung säst. Dieses Verhalten ist wider die Gesetze der Maat und kann nur ins Chaos und zu einem Bruderkrieg führen.»
«Jahwes Forderungen bleiben unverändert bestehen.»
«Verlasse samt deinen Anhängern Ägypten, Moses, und bete deinen Gott an, wo du dies zu tun wünschst.»
«Das ist nicht im Sinne von Jahwe. Das gesamte hebräische Volk muß mit mir ziehen.»
«Du läßt das Vieh hier, großes wie kleines, denn zum überwiegenden Teil ist es euch nur geliehen worden und gehört euch nicht. Wer Ägypten verschmäht, braucht nicht in den Genuß seiner Wohltaten zu kommen.»
«Unsere Herden werden uns begleiten, nicht ein Stück Vieh wird in deinem Land bleiben, denn es wird uns dazu dienen, Jahwe zu huldigen. Wir brauchen es, um Ihm Opfer darzubringen, bis wir das Gelobte Land erreicht haben.»
«Willst du dich wie ein Dieb benehmen?»
«Allein Jahwe kann ein Urteil über mich sprechen.»
«Welcher Glaube vermochte je eine solche Anmaßung zu rechtfertigen?»
«Du bist nicht fähig, das zu verstehen. Begnüge dich damit, dich zu beugen.»
«Die Pharaonen haben mit Erfolg blinden Eifer und Unduldsamkeit unterbunden, diese tödlichen Gifte, die am Herzen der Menschen nagen. Fürchtest du dich nicht, wie ich, vor den Folgen einer uneingeschränkten und endgültigen Wahrheit, die Menschen anderen Menschen aufzwingen?»
«Erfülle den Willen Jahwes.»
«Führst du nur noch Drohungen und Beschimpfungen im Munde, Moses? Was ist aus unserer Freundschaft geworden, die uns auf dem Weg zum Wissen geleitet hat?»
«Mein Sinnen und Trachten gilt nur der Zukunft, und diese Zukunft besteht im Auszug meines Volkes aus Ägypten.»
«Verlasse diesen Palast, Moses, und erscheine nie mehr vor mir. Sonst betrachte ich dich als Aufrührer, und der Gerichtshof wird die Strafe über dich verhängen, die Unruhestiftern gebührt.»
Wutentbrannt schritt Moses durch das Tor in der Umfassungsmauer des Palastes, würdigte die Höflinge, die gern ein paar Worte mit ihm gewechselt hätten, keines Grußes und kehrte in seine Wohnstätte im Hebräerviertel zurück, wo Ofir ihn erwartete.
Die Verbündeten des Magiers hatten ihm das Scheitern und den Tod Mebas gemeldet. Der letzte Bericht, den der Gesandte geschrieben hatte, enthielt indes eine wissenswerte Neuigkeit: Bei einer
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