Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel
Zeremonie im Tempel des Ptah war Meba aufgefallen, daß Kha den von Setaou geschaffenen magischen Schutz abgelegt hatte. Das Amt des Oberpriesters bewahrte ihn zwar vor dem Einfluß dunkler Mächte, aber weshalb sollte Ofir nicht sein Glück versuchen?
«Hat Ramses nachgegeben?» erkundigte sich der Magier.
«Er wird nie nachgeben», antwortete Moses.
«Ramses kennt keine Angst. Diese Lage bleibt ausweglos, solange wir nicht Gewalt anwenden.»
«Ein Aufstand…»
«Wir besitzen Waffen.»
«Das wäre der Untergang der Hebräer.»
«Wer spricht denn von offenem Aufruhr? Wir müssen den Tod einsetzen, er wird die zehnte und letzte Plage sein, die Ägypten heimsucht.»
Moses war zornig. Und während er Ofirs drohenden Worten lauschte, vermeinte er, die Stimme Jahwes zu hören.
«Du hast recht, Ofir. Wir müssen so kräftig zuschlagen, daß Ramses gezwungen ist, die Hebräer freizulassen. In der Nacht des Todes wird Jahwe durch Ägypten gehen, und die erstgeborenen Kinder werden sterben.»
Wie sehr hatte Ofir diesen Augenblick erwartet! Endlich würde er sich für die Niederlagen rächen, die der Pharao ihm zugefügt hatte.
«An der Spitze der erstgeborenen Kinder steht Kha, Ramses’
Sohn, den er vermutlich zu seinem Nachfolger ausersehen hat.
Bislang war ihm ein magischer Schutz zuteil geworden, den ich nie überwinden konnte. Aber jetzt…»
«Jahwes Hand wird ihn nicht verschonen.»
«Wir müssen die Ägypter hinters Licht führen», schlug Ofir vor. «Die Hebräer sollen sich wie einst mit ihnen verbrüdern und daraus Nutzen ziehen, um sich möglichst viele kostbare Gegenstände zu verschaffen. Wir werden sie bei unserem Auszug brauchen.»
«Wir werden Pessach abhalten», kündigte Moses an, «und unsere Häuser rot kennzeichnen, mit einem Büschel Ysop, das wir in das Blut des Opferlammes tauchen. In der Nacht des Todes wird der Würgengel diese Häuser verschonen.»
Ofir stürzte in seine magische Wirkstätte. Dank der Kha gestohlenen Binse würde es dem Magier vielleicht gelingen, Ramses’ erstgeborenen Sohn zu lähmen und ihn ins Nichts gleiten zu lassen.
Das Spiel von Licht und Schatten, das den Garten belebte, machte Nefertari noch schöner. Geheimnisvoll und erhaben bewegte sie sich mit der Anmut einer Göttin zwischen Bäumen und Blumen. Als Ramses ihre Hand küßte, spürte er dennoch sogleich, daß sie verstimmt war.
«Moses hat nicht aufgehört, uns zu bedrohen», murmelte sie.
«Er war mein Freund, und ich kann nicht glauben, daß seine Seele schlecht geworden ist.»
«Auch ich schätze ihn, aber ein zerstörerisches Feuer hat sich seines Herzens bemächtigt, und vor dem habe ich Angst.»
Mit besorgter Miene kam Setaou auf das Königspaar zu.
«Vergebt mir, ich pflege die Dinge geradeheraus zu sagen: Kha ist krank.»
«Ist es etwas Ernstes?» fragte Nefertari.
«Ich befürchte ja, Majestät. Meine Heilmittel scheinen nicht zu wirken.»
«Soll das heißen…»
«Machen wir uns nichts vor: Es handelt sich um einen Zauber.»
Als Tochter der Isis, der mächtigen Magierin, eilte die Große königliche Gemahlin an das Krankenlager des erstgeborenen Sohnes von Ramses.
Trotz seiner Pein legte der Oberpriester des Ptah erstaunliche Würde an den Tag. Mit aschfahlem Gesicht und eingesunkenen Wangen lag Kha auf einem Bett und litt unter Atemnot.
«Meine Arme sind leblos», sagte er zu Nefertari, «und ich kann meine Beine nicht mehr bewegen.»
Die Königin legte ihre Hände auf die Schläfen des jungen Mannes.
«Ich werde dir all meine Kraft geben», versprach sie, «und wir werden gemeinsam gegen den heimtückischen Tod kämpfen. Ich werde dir alles Glück geben, das das Leben mir beschert hat, und du wirst nicht sterben.»
In der hethitischen Hauptstadt gingen die Verhandlungen nur langsam voran. Hattuschili erörterte jeden Abschnitt des Vertragsentwurfes, den Ramses aufgesetzt hatte, schlug einen anderen Wortlaut vor, feilschte hartnäckig mit Acha, bis sie zu einem für beide Seiten annehmbaren Ergebnis gelangten, von dem er jedes Wort wieder und wieder abwog. Puducheba fügte ihre Bemerkungen hinzu, die zu neuen Überlegungen führten.
Acha bewies eine Geduld, die jeder Prüfung standhielt. Er war sich dessen bewußt, daß er mitwirkte, einen Frieden zu schaffen, von dem das Glück des ganzen Vorderen Orients und eines Teiles von Asien abhing.
«Vergiß nicht, daß ich auf der Auslieferung Uriteschups bestehe.»
«Das wird der letzte Punkt sein, den es zu klären
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