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Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel

Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel

Titel: Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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seine Gebete verstummt waren, reichte ihm die Königin die rote Krone Unterägyptens, die weiße Krone Oberägyptens und das Zepter, das die Inschrift «Herrschaft über die Macht» trug.
    Mit der Doppelkrone auf dem Haupt, das Zepter in der Rechten, verneigte sich Ramses vor der heilbringenden Wirkkraft, die der Statue innewohnte.
    Als das Königspaar den Tempel verließ, leuchtete die Sonne wieder am Himmel über der türkisfarbenen Stadt. Das Gewitter hatte sich verzogen.

    ELF

    KAUM HATTE RAMSES das Gold der Tapferkeit verteilt, da stattete er Homer einen Besuch ab, dem griechischen Poeten, der beschlossen hatte, sich in Ägypten niederzulassen, um hier seine großen Werke zu schreiben und seine Tage zu beschließen. Das behagliche Haus in der Nähe des Palastes war von einem Garten umgeben, dessen Prunkstück, ein Zitronenbaum, die nahezu erblindeten Augen des Greises mit dem langen, weißen Bart erfreute. Wie gewöhnlich rauchte er Salbeiblätter, mit denen er den Kopf seiner Pfeife, ein großes Schneckenhaus, gestopft hatte, und trank dazu mit Anis und Koriander gewürzten Wein, als der König von Ägypten zu ihm trat.
    Auf einen knorrigen Stock gestützt, erhob sich der Poet.
    «Bleibe doch sitzen, Homer!»
    «Wenn man den Pharao nicht mehr grüßt, wie es sich geziemt, bedeutet das den Untergang der Kultur.»
    Die beiden Männer nahmen im Garten Platz.
    «Habe ich recht gehabt, Majestät, als ich folgende Verse schrieb: Gleiches Teil erhält, wer zurückbleibt und wer im Kampfe steht. Gleiche Ehre erhält der Feige und der Beherzte.
    Auch der Müßige stirbt gleich dem, der vieles geleistet. Nichts gewann ich dabei, daß Leiden im Mut ich erduldet und daß immer mein Leben ich eingesetzt, wenn ich kämpfte.»
    «Nein, Homer.»
    «Dann bist du also siegreich wiedergekehrt?»
    «Die Hethiter sind in ihre angestammten Stellungen zurückgedrängt worden, sie werden nicht in Ägypten einfallen.»

    «Feiern wir das Ereignis, Majestät! Ich habe mir einen bemerkenswerten Wein liefern lassen.»
    Homers Koch brachte eine kretische Amphore. Aus ihrem besonders engen Hals floß nur ein dünner Strahl des Weins, der mit Meerwasser versetzt war, das man in der Nacht der Sommersonnenwende geschöpft und drei Jahre lang aufbewahrt hatte.
    «Der Bericht über die Schlacht bei Kadesch ist vollendet», verriet Homer. «Ich habe ihn deinem Obersten Schreiber, Ameni, diktiert, der ihn bereits an die Steinmetze weitergegeben hat.»
    «Er wird in die Wände der Tempel gemeißelt und soll fortan vom Sieg der Ordnung über das Chaos künden.»
    «Wie beklagenswert, Majestät, daß der Kampf stets aufs neue beginnen muß! Liegt es nicht im Wesen des Chaos, die Ordnung verschlingen zu wollen?»
    «Deshalb wurde das Pharaonentum gegründet, das allein die Herrschaft der Maat zu festigen vermag.»
    «Verändere es ja nicht, denn ich möchte noch lange glücklich in diesem Lande leben.»
    Hektor, Homers schwarzweiße Katze, sprang auf den Schoß des Poeten und wetzte ihre Krallen an seinem Gewand.
    «Hunderte von Meilen zwischen deiner Hauptstadt und der des Hethiterreichs… Werden sie genügen, um die Finsternis fernzuhalten?»
    «Solange mir der Odem des Lebens gegeben ist, werde ich mich dafür einsetzen.»
    «Der Krieg findet nie ein Ende. Wie viele Male wirst du noch ausrücken müssen?»

    Nachdem Ramses Homers Wohnsitz verlassen hatte, begab er sich zu Ameni, der ihn bereits erwartete. Von noch bleicherer Gesichtsfarbe als gewöhnlich, abgemagert und weiterer Haare verlustig gegangen, mutete der Oberste Schreiber des Königs zerbrechlicher denn je an. Hinter einem Ohr klemmte eine Binse.
    «Ich möchte dringend etwas mit dir besprechen, Majestät.»
    «Sollte dir eines deiner Schriftstücke Kopfzerbrechen bereiten?»
    «Nein, kein Schriftstück…»
    «Gewährst du mir ein wenig Zeit für meine Familie?»
    «Zuvor erlegen dir die Erfordernisse des Hofes noch einige Zeremonien und Audienzen auf… Dahinter will ich ja gerne zurückstehen, aber es gibt etwas viel Wichtigeres: ‹Er› ist wieder da…»
    «Sprichst du etwa von…»
    «Ja, von Moses.»
    «Befindet er sich in Pi-Ramses?»
    «Du wirst zugeben müssen, daß Serramanna keinen Fehler begangen hat, als er ihn festnahm. Hätte er ihn in Freiheit gelassen, hätte er das Rechtswesen dem Gespött preisgegeben.»
    «Man hat Moses ins Gefängnis geschickt?»
    «Es mußte sein.»
    «Bringe ihn augenblicklich zu mir.»
    «Das ist unmöglich, Majestät. Der Pharao kann nicht in

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