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Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel

Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel

Titel: Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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ein Rechtsverfahren eingreifen, auch dann nicht, wenn ein Freund betroffen ist.»
    «Aber wir besitzen doch Beweise für seine Unschuld!»
    «Dennoch ist es unerläßlich, den Dingen ihren üblichen Lauf zu lassen. Erwiese sich der Pharao nicht als erster Diener der Maat und der Gerechtigkeit, brächen in diesem Land Unordnung und Wirrnis aus.»
    «Du bist ein wahrer Freund, Ameni.»

    Der kleine Kha schrieb die berühmten Worte ab, die schon Generationen von Schreibern vor ihm wieder und wieder abgeschrieben hatten:
    Bücher mit Lehren schaffen sie sich als Erben, jene weisen Schreiber, die in den Schriften beschlagen sind. Ihr geliebter Sohn ist die Schreibtafel, Lehren sind ihre Pyramiden, das Schreibrohr ist ihr Kind, die mit Hieroglyphen übersäte Steinfläche ihre Gemahlin. Bauwerke zerfallen, der Sand bedeckt die Stelen, Gräber werden vergessen, doch die Namen der Schreiber, die in Weisheit lebten, werden fortdauern wegen der Bücher, die sie verfaßt haben. Werde Schreiber und präge diesen Satz deinem Herzen ein: Ein Buch ist nützlicher als die dickste Wand. Es wird dir als Tempel dienen, wenn dein Leib zerfallen ist. Durch ein Buch wird dein Name auf den Lippen der Menschen weiterleben, es ist beständiger als ein fest gebautes Haus.
    Der Knabe war mit dem Verfasser dieser Lehren nicht ganz einer Meinung. Gewiß, das Geschriebene überdauerte die Zeiten, aber verhielt es sich nicht ebenso mit den Häusern für die Ewigkeit und mit den steinernen Heiligtümern, die von den Baumeistern errichtet wurden? Der Schreiber, der diese Zeilen ersonnen hatte, rühmte die Vortrefflichkeit seines Standes so sehr, daß er sie dabei übertrieb. Deshalb schwor sich Kha, sowohl Schreiber als auch Baumeister zu werden, um seinen Verstand nicht einzuschränken. Seit sein Vater ihn dem Tod in Gestalt einer Kobra gegenübergestellt hatte, war Ramses’
    erstgeborener Sohn viel reifer geworden und hatte kindlichen Spielen endgültig abgeschworen. Welchen Reiz konnte ein hölzernes Pferd auf Rollen schon haben im Vergleich zu der schwierigen Rechenaufgabe, die der Schreiber Amosis in dem fesselnden Papyrus gestellt hat, den Nefertari ihm geschenkt hatte? Amosis setzte den Flächeninhalt eines Kreises mit dem eines Quadrates gleich, dessen Seiten acht Neuntel der Länge des Durchmessers aufwiesen, ungeachtet dessen, ob der Kreis groß oder klein war. Welch wunderbare Harmonie! Sobald sich ihm die Gelegenheit dazu bot, wollte Kha die Berechnung von Gebäuden erlernen, um in die Geheimnisse der Baumeister einzudringen.
    «Darf ich Prinz Kha beim Nachdenken stören?» fragte Meba.
    Der Knabe hob nicht einmal den Kopf.
    «Wenn du es für angebracht hältst…»
    Seit einiger Zeit kam der Stellvertreter des Obersten Gesandten oft, um sich mit Kha zu unterhalten. Der Sohn des Pharaos verabscheute zwar seinen Standesdünkel und sein Gebaren, mit dem er kundtat, zu den Vornehmen des Landes zu gehören, schätzte aber seine Bildung und seine Kenntnis der Schriften.
    «Noch immer eifrig, Prinz?»
    «Gibt es ein besseres Mittel, das Herz zu erfreuen?»
    «Das ist eine sehr ernste Frage auf so jungen Lippen. Doch im Grunde hast du nicht unrecht. Als Schreiber und Sohn des Königs wirst du Dutzenden von Dienern Befehle erteilen, du wirst weder den Pflug führen noch die Hacke schwingen, deine Hände werden zart bleiben, du wirst körperlichen Anstrengungen entgehen, nie schwere Lasten schleppen und in einem herrlichen Haus wohnen, in deinen Ställen werden prächtige Pferde stehen, du wirst jeden Tag erlesene Gewänder tragen, eine behagliche Sänfte haben und das Vertrauen des Pharaos genießen.»
    «Viele faule, aber wohlhabende Schreiber leben in der Tat auf diese Weise. Ich möchte hingegen imstande sein, schwierige Schriften zu lesen, an den Ritualen teilhaben und bei den feierlichen Umzügen Opfergaben tragen dürfen.»
    «Das sind bescheidene Wünsche, Prinz Kha.»
    «Im Gegenteil, Meba! Sie setzen große Mühe voraus.»

    «Ist Ramses’ erstgeborener Sohn nicht zu höheren Aufgaben ausersehen?»
    «Die Hieroglyphen werden mich leiten. Haben sie jemals gelogen?»
    Die Worte dieses Knaben von zwölf Jahren lösten bei Meba Verwirrung aus. Er hatte das Gefühl, mit einem erfahrenen Schreiber zu sprechen, der Herr seiner selbst und für Schmeicheleien unempfänglich war.
    «Das Leben besteht nicht nur aus Arbeit und Strenge.»
    «Ich erwarte von meinem nichts anderes, Meba. Ist das verwerflich?»
    «Nein, natürlich nicht.»
    «Du, der

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