Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel
zu stellen?»
Seit Ramses’ Rückkehr waren Nefertari nur wenige Augenblicke gegönnt gewesen, in denen sie mit ihrem Gemahl allein war. Ameni, der Wesir, die Vorsteher der höchsten Ämter des Staates und die Oberpriester belagerten die Arbeitsräume des Herrschers, und die Königin widmete sich ihrerseits ohne Unterlaß den Bittgesuchen der Schreiber, der Aufseher über die Werkstätten, der Steuereinnehmer und der anderen Beamten, die ihrem Hausstand angehörten.
Oft bedauerte sie, daß sie nicht Musikantin im Dienste eines Tempels geworden war. Dort hätte sie ruhig und fernab der Geschäftigkeit des Alltags leben können. Doch die Königin Ägyptens hatte kein Anrecht mehr auf eine solche Stätte der Zuflucht und mußte ihre Aufgabe erfüllen, ohne sich darum zu kümmern, welche Bürde sie ihr auferlegte und wie müde sie war.
Dank der Hilfe, die Tuja ihr fortwährend zuteil werden ließ, hatte Nefertari die Kunst des Herrschens erlernt. In diesen ersten sieben Jahren hatte Ramses viele Monate außer Landes und auf Schlachtfeldern zugebracht. Die junge Königin hatte aus sich selbst ungeahnte Kräfte schöpfen müssen, um die Last der Krone zu ertragen und die Rituale zu vollziehen, die dem unerläßlichen Band zwischen der Bruderschaft der Götter und der Gemeinschaft der Menschen Bestand verliehen.
Daß sie dabei keine Muße fand, an sich selbst zu denken, störte Nefertari nicht. Der Tag enthielt mehr Pflichten als Stunden, und das war gut so. Gewiß, Kha und Merit-Amun weilten oft weit von ihr entfernt, wodurch ihr jene unwiederbringlichen Stunden entgingen, in denen sie hätte miterleben können, wie sich das Wesen der Kinder entfaltete.
Obwohl Kha und Merenptah die Söhne von Ramses und Iset der Schönen waren, liebte die Königin sie gleich ihrer eigenen Tochter Merit-Amun. Ramses hatte gut daran getan, als er Iset bat, über die Erziehung der drei Kinder zu wachen. Zwischen den beiden Frauen gab es weder Wettstreit noch Feindschaft.
Da Nefertari eine erneute Mutterschaft verwehrt war, hatte sie selbst Ramses gebeten, sich mit Iset der Schönen zu vereinigen, damit sie ihm weitere Kinder gebar, unter denen er dereinst seinen Nachfolger auswählen könnte. Dennoch hatte Ramses nach Merenptahs Geburt beschlossen, sich fortan von Iset abzuwenden und an Kindes Statt «Söhne und Töchter des Königs» in unbegrenzter Zahl anzunehmen, die von der Fruchtbarkeit des Königspaares künden sollten.
Die Liebe, die Nefertari für Ramses empfand, ging weit über körperliche Vereinigung und Lust hinaus. Es war nicht nur der Mann in ihm, der sie bezaubert hatte, sondern vor allem seine Ausstrahlung. Sie waren zu einem einzigen Wesen verschmolzen, und Nefertari lebte in der Gewißheit, sich selbst dann mit ihm eins zu fühlen, wenn sie voneinander getrennt waren.
Müde überließ sich die Königin der Geschicklichkeit ihrer Hand- und ihrer Fußpflegerin. Nach einem arbeitsreichen Tag unterwarf sie sich noch diesen Erfordernissen der Schönheit, denn sie mußte, welche Sorgen sie auch bedrücken mochten, bei jeder Gelegenheit heiter und gelassen erscheinen.
Danach kam der herrliche Augenblick des Schwallbads, bei dem zwei Dienerinnen den nackten Leib der Königin mit heißem Wasser übergossen, dem sie wohlriechende Öle hinzugefügt hatten. Dann legte sie sich auf warme Fliesen und wurde lange mit einem Gemisch aus Weihrauch, Terebinthe, Öl und Zitronensaft massiert, was ihre von des Tages Mühen verhärteten Muskeln lockern sollte, ehe sie sich zur Ruhe begeben konnte.
Nefertari dachte dabei an die Unzulänglichkeiten, für die sie die Verantwortung trug, an die Fehler, die sie selbst begangen hatte, an ihren zuweilen unnötigerweise aufwallenden Zorn.
Der rechte Weg bestand darin, für den einzutreten, der handelte, denn die gerechte Tat mehrte die Maat und bewahrte das Land vor dem Chaos.
Plötzlich änderte die Hand, die sie massierte, den Rhythmus und wurde zärtlicher.
«Ramses…»
«Gestattest du mir, den Platz deiner Dienerin einzunehmen?»
«Das muß ich mir erst überlegen.»
Sehr langsam drehte sie sich um und wurde seines verliebten Blicks gewahr.
«Hattest du nicht eine endlos lange Zusammenkunft mit Ameni und den Verwaltern der Speicher geplant?»
«Dieser Abend und diese Nacht gehören uns.»
Da knotete sie Ramses’ Schurz auf.
«Was hast du nur für ein Geheimnis, Nefertari? Bisweilen ertappe ich mich bei dem Gedanken, daß deine Schönheit nicht von dieser Welt ist.»
«Ist
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