Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel
Gewand des
Wasserverkäufers, der sie ansprach, Chenar wiedererkannt? Er hatte einen Teil seiner Leibesfülle verloren, und ein dichter Bart bedeckte seine Oberlippe, die Wangen und das Kinn.
«Zufrieden, teure Schwester?»
«Dein schlauer Rat war vortrefflich.»
«Die Freundschaft macht unseren Bruder blind. Da du Moses zu Hilfe gekommen bist, hält Ramses dich fortan für eine Verbündete.»
«Wenn er mir wieder traut, wird er verwundbar. Was soll ich jetzt tun?»
«Sperre die Ohren auf. Selbst der nichtigste Hinweis kann wertvoll sein. Ich werde mich auf gleiche Weise wieder mit dir in Verbindung setzen.»
SIEBZEHN
RAMSES UND AMENI hatten aufmerksam Serramannas ausführlichem Bericht gelauscht. Die gespannte Stimmung im Arbeitsraum des Herrschers stand in krassem Gegensatz zu dem sanften Licht, das ihn durchflutete. Nun, am Ende der heißen Jahreszeit, schmückte Ägypten sich mit goldenen Farben.
«Ofir, ein libyscher Magier», wiederholte Ameni, «und Lita, eine arme Närrin, die er für seine Zwecke mißbraucht hat…
Sollen wir uns deshalb wirklich Sorgen machen? Dieser erbärmliche Schurke befindet sich auf der Flucht, er hat keinerlei Rückhalt im Land und ist sicher bereits auf und davon, über die Grenze.»
«Du verharmlost den Ernst der Lage», bemerkte Ramses.
«Vergiß nicht, wo er sich verbarg: in der Sonnenstadt, der Hauptstadt Echnatons!»
«Sie wurde vor langer Zeit aufgegeben…»
«Aber die verderblichen Gedanken ihres Gründers spuken noch in so manchen Köpfen. Dieser Ofir wollte sie sich zunutze machen, um ein Netz von Anhängern aufzubauen.»
«Ein Netz… Ob dieser Ofir vielleicht ein Spion der Hethiter ist?»
«Davon bin ich überzeugt.»
«Aber die Hethiter scheren sich nicht um Aton und um einen einzigen Gott.»
«Die Hebräer schon», warf Serramanna ein.
Ameni hatte diesen Hinweis schon befürchtet. Der Sarde war schließlich nie in die Feinheiten bedachtsam gewählter Worte vorgedrungen und drückte das, was ihm in den Sinn kam, nach wie vor ohne Umschweife aus.
«Wir wissen, daß ein falscher Baumeister zuweilen Umgang mit Moses pflegte», rief ihnen der Vorsteher der Leibwache des Königs ins Gedächtnis. «Und die Beschreibung dieses Hochstaplers deckt sich haargenau mit der des Magiers. Ist das nicht ein schlagender Beweis?»
«Mäßige dich!» riet ihm Ameni nachdrücklich.
«Sprich weiter!» befahl Ramses.
«Ich verstehe nichts von Religion», fuhr der Sarde fort, «aber ich weiß, daß die Hebräer von einem einzigen Gott reden. Darf ich dich daran erinnern, Majestät, daß ich Moses schon damals des Verrats verdächtigt habe?»
«Moses ist unser Freund!» begehrte Ameni auf. «Selbst wenn er Ofir wirklich getroffen hat, weshalb hätte er sich an einer Verschwörung gegen Ramses beteiligen sollen? Dieser Magier hat sicher versucht, zu vielen Großen des Landes Beziehungen zu knüpfen.»
«Was nützt es denn, sich blind zu stellen?» fragte der Sarde.
Der Pharao erhob sich, trat an ein Fenster und blickte in die Ferne. Die grünende Landschaft des Deltas war der Inbegriff sorglosen Lebens.
«Serramanna hat recht», befand Ramses. «Die Hethiter haben uns auf zweierlei Art angegriffen, von außen und zugleich von innen. Wir haben in der Schlacht bei Kadesch zwar den Sieg davongetragen, haben ihre Truppen aus unseren Schutzgebieten hinausgedrängt und ein Spionagenetz zerschlagen, aber sind das nicht lächerliche Erfolge? Ihr Heer ist unversehrt, und dieser Ofir treibt immer noch sein Unwesen. Ein Mann wie er, der vor einem Mord nicht zurückschreckte, wird nicht davon ablassen, uns zu schaden.
Aber Moses kann mit ihm nicht im Bunde stehen… Er ist aufrichtig und nicht imstande, im verborgenen zu handeln.
Was ihn betrifft, da irrt sich Serramanna.»
«Ich hoffe es, Majestät.»
«Auf dich wartet eine neue Aufgabe, Serramanna.»
«Ich werde Ofir festnehmen.»
«Aber davor suchst du mir einen hebräischen Ziegelmacher namens Abner.»
Nefertari hatte sich gewünscht, ihren Geburtstag auf einem in der Nähe der Hauptstadt gelegenen großen Landgut zu feiern, das der Aufsicht Nedjems, des Obersten Verwalters der Felder und Haine, unterstand. Von angenehmem Wesen, dem Schauspiel der Natur stets überaus zugetan, führte er dem Königspaar einen erst jüngst ersonnenen neuen Pflug vor, der für die fruchtbaren, schweren Boden des Deltas besser geeignet war als die alten Pflüge. Voller Begeisterung betätigte Nedjem mit eigener Hand das Gerät. Es
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