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Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel

Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel

Titel: Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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dem ein Kaufmann die Liste und die Güte der Waren überprüfte, Schuldscheine ausschrieb, Verträge unterzeichnete und säumigen Zahlern androhte, sie vor Gericht zu stellen.
    Ein äußerst beleibter Mann von etwa sechzig Jahren, der dem Bund der Kaufleute vorstand, erging sich ziellos im Händlerviertel. Mit wachsamem Blick beobachtete er das Treiben, und falls es irgendwo zu Streitigkeiten kam, griff er unverzüglich ein. Als ihm Hattuschili begegnete, schwand das stets zur Schau getragene Lächeln des Kaufmanns. Der Bruder des Königs, in seinem mehrfarbigen Gewand und das Haar wie üblich von einem Band zusammengehalten, erweckte den Eindruck, mit noch größeren Sorgen beladen zu sein als gewöhnlich.
    «Es gibt schlechte Neuigkeiten», gestand der Kaufmann.

    «Bereiten dir deine Lieferanten Verdruß?»
    «Nein, viel schlimmer: Uriteschup.»
    «Aber… Der König hat doch mich damit betraut, die Aufsicht über Handel und Wandel zu führen.»
    «Darum scheint Uriteschup sich nicht allzusehr zu kümmern.»
    «Welches Vergehen hat er sich zuschulden kommen lassen?»
    «Der Sohn des Königs hat beschlossen, für jedes Geschäft, das wir tätigen, eine neue Steuer zu erheben, um die Soldaten besser entlohnen zu können.»
    «Ich werde mich dem aufs schärfste widersetzen.»
    «Das ist zwecklos, dazu ist es schon zu spät.»
    Hattuschili fühlte sich wie ein Schiffbrüchiger im Sturm.
    Zum ersten Mal hatte der König ihn nicht ins Vertrauen gezogen, und er, sein eigener Bruder, erfuhr Wichtiges von einem Fremden.
    «Ich werde vom König verlangen, diese Steuer rückgängig zu machen.»
    «Das wird dir nicht gelingen», sagte der Kaufmann voraus.
    «Uriteschup möchte die Schlagkraft der hethitischen Armee wiederherstellen, indem er die Händler ausplündert.»
    «Ich werde mich dagegen wehren.»
    «Mögen die Götter dir beistehen, Hattuschili!»

    Seit mehr als drei Stunden harrte Hattuschili geduldig in einem kleinen, kalten Raum des Königspalastes aus. Für gewöhnlich konnte er ohne Umstände die Privatgemächer seines Bruders betreten, doch an diesem Tag hatten ihm zwei Männer aus Muwatallis Leibwache den Zugang verwehrt, und ein Kammerdiener hatte sich sein Begehren angehört, ihm jedoch nichts versprochen.

    Schon bald würde die Nacht hereinbrechen. Da wandte sich Hattuschili an einen der Wachsoldaten.
    «Sage dem Kammerherrn, daß ich nicht mehr länger warten werde.»
    Der Mann zögerte, warf seinem Gefährten einen fragenden Blick zu, dann verschwand er. Der andere sah so aus, als sei er bereit, Hattuschili mit seiner Lanze zu durchbohren, falls er versuchen sollte, sich den Zugang zu erzwingen.
    Da erschien der Kammerdiener aufs neue, umgeben von sechs Soldaten mit finsteren Gesichtern. Der Bruder des Königs befürchtete schon, sie würden ihn im nächsten Augenblick festnehmen und in ein Gefängnis werfen, aus dem er nie wieder herauskam.
    «Was wünschst du?»
    «Ich möchte den König sprechen.»
    «Habe ich dir nicht bereits gesagt, daß er heute niemanden empfängt? Es ist sinnlos, noch länger zu warten.»
    Hattuschili ging weg, und die Soldaten ließen ihn von dannen ziehen.
    Als er aus dem Palast hinaustrat, begegnete ihm Uriteschup, der vor Kraft nur so strotzte. Mit einem spöttischen Lächeln auf den Lippen würdigte der neue Oberbefehlshaber der hethitischen Armee Hattuschili nicht einmal eines Grußes.

    Von der Terrasse des Palastes blickte Muwatalli auf Hattuscha, seine Hauptstadt, hinunter. Als riesige steinerne Festung inmitten kargen Graslands erbaut, kündete sie von unbezwingbarer Stärke. Schon bei ihrem bloßen Anblick kehrte jeder Angreifer um. Niemand würde sich ihrer Wehrtürme bemächtigen, niemand würde je den königlichen Burgberg erobern, der die Tempel der Gottheiten überragte.
    Niemand, außer Ramses.

    Seit dieser Pharao den Thron Ägyptens bestiegen hatte, brachte er das gewaltige Bollwerk ins Wanken und versetzte dem Königreich empfindliche Schläge. Zuweilen kam Muwatalli der grauenerregende Gedanke, Hatti könnte eine endgültige Niederlage erleiden. Bei Kadesch hatte er das größte Unheil noch abzuwehren vermocht, aber würde ihm das Glück weiterhin zur Seite stehen? Ramses war noch jung, voller Eroberungsdrang, ein Günstling des Himmels, und er würde nicht aufgeben, ehe er die Gefahr, die ihm von den Hethitern drohte, nicht vollends gebannt hatte.
    Er, Muwatalli, der Anführer eines kriegerischen Volkes, mußte sich eine andere Vorgehensweise einfallen

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