Ramses 4 - Die Herrin von Abu Simbel
Hügels, der eine ausgedehnte, von Geröll durchsetzte Sandfläche überragte, hielt Serramanna das Gefährt an.
«Erklimme den Gipfel, Moses!»
Der Aufstieg bereitete dem Hebräer keinerlei Mühe.
Auf einem verwitterten, von den Winden blankgeschliffenen Steinblock saß Ramses und erwartete ihn.
«Ich liebe die Wüste ebenso wie du, Moses. Haben wir nicht gemeinsam unvergeßliche Stunden im Sinai erlebt?»
Der Prophet setzte sich neben den Pharao, und sie blickten in dieselbe Richtung.
«Welcher Gott treibt dich um, Moses?»
«Der alleinige Gott, der wahre Gott.»
«Aber du bist doch in der Weisheit Ägyptens unterwiesen worden, dein Geist war aufgeschlossen für die mannigfaltigen Erscheinungsformen des Göttlichen.»
«Rechne nicht damit, mich in die Vergangenheit zurückzulocken. Mein Volk hat eine Zukunft, und diese Zukunft wird sich außerhalb Ägyptens erfüllen. Gestatte den Hebräern, in die Wüste zu ziehen und nach einem Fußmarsch von drei Tagen dort Jahwe zu huldigen.»
«Du weißt genau, daß das nicht möglich ist. Ein solcher Aufenthalt würde beträchtliche Anstrengungen der Armee erfordern, um euren Schutz zu gewährleisten. Unter den gegenwärtigen Umständen ist ein Angriff durch Beduinen nicht auszuschließen, dem ein unbewaffnetes Volk in Scharen zum Opfer fallen würde.»
«Jahwe wird uns beschützen.»
«Die Hebräer sind meine Untertanen, ich bin für ihre Sicherheit verantwortlich.»
«Wir sind deine Gefangenen.»
«Jeder Hebräer kann sich in Ägypten frei bewegen, er mag ein- oder ausreisen, wie es ihm beliebt, solange er das Gesetz achtet. Doch was du von mir verlangst, noch dazu in Kriegszeiten, das entbehrt jeglicher Vernunft. Im übrigen werden dir nicht viele Gefolgschaft leisten.»
«Ich werde mein Volk in das Land führen, das ihm verheißen wurde.»
«Und wo liegt das?»
«Jahwe wird uns den Weg dahin weisen.»
«Sind die Hebräer in Ägypten so unglücklich?»
«Darum geht es nicht. Es zählt allein der Wille Jahwes.»
«Weshalb bist du nur so starrsinnig? In Pi-Ramses gibt es Heiligtümer, die fremdländische Götter beherbergen. Dort können die Hebräer nach Belieben ihrem Glauben frönen.»
«Das genügt uns nicht mehr. Jahwe duldet die Gegenwart falscher Götter nicht.»
«Befindest du dich da nicht auf einem Irrweg, Moses? In unserem Land haben die Weisen von jeher der Einheit des Göttlichen gehuldigt und zugleich seine mannigfaltigen Erscheinungsformen gepriesen. Als Echnaton versuchte, Aton über die anderen schöpferischen Mächte zu erheben, beging er einen Fehler.»
«Seine Lehre lebt heute in geläuterter Form neu auf.»
«Für einen einzigen und ausschließlichen Gott einzutreten würde den Austausch zwischen den Gottheiten verschiedener Länder vereiteln und die Hoffnung auf Brüderlichkeit zwischen den Völkern zunichte machen.»
«Jahwe ist der Beschützer und die Stütze der Gerechten.»
«Vergißt du dabei Amun? Er vertreibt das Übel, erhört das Gebet derer, die ihn liebenden Herzens anflehen, und eilt dem zu Hilfe, der ihn anruft. Amun macht den Blinden wieder sehend, seinem Blick entgeht nichts, und er verkörpert zugleich Einheit und Vielfalt.»
«Die Hebräer beten nicht Amun an, sondern Jahwe, und Jahwe wird ihr Geschick lenken.»
«Allzu große Unbeugsamkeit führt in den Tod, Moses.»
«Ich habe meine Entscheidung getroffen und werde mich daran halten. Sie ist der Wille Gottes.»
«Erliegst du nicht der Eitelkeit, wenn du meinst, du seist der einzige, der seinen Willen kennt?»
«Deine Meinung ist mir gleichgültig.»
«Dann ist unsere Freundschaft also zerbrochen.»
«Die Hebräer werden mich zu ihrem Anführer wählen, und du bist der Herr über das Land, das uns gefangenhält. Wie groß meine Freundschaft und meine Achtung für dich auch sein mögen, sie müssen hinter meinem Auftrag zurückstehen.»
«Mit deiner Halsstarrigkeit verhöhnst du die Gesetze der Maat.»
«Was kümmert mich das schon!»
«Willst du dich über die ewige Regel des Weltalls erheben, die schon bestand, ehe es Menschen auf Erden gab, und die fortdauern wird, auch wenn sie dereinst nicht mehr dasein werden?»
«Das einzige Gesetz, das die Hebräer befolgen, ist das Gesetz Jahwes. Erteilst du uns die Genehmigung, in die Wüste aufzubrechen und dort Ihm zu Ehren Opfer darzubringen?»
«Nein, Moses. Der Krieg gegen die Hethiter verwehrt mir, ein derartiges Wagnis einzugehen. Die Bemühungen, unser Land zu verteidigen, dürfen nicht durch
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