Ramses Mueller

BITTE, jetzt nicht das auch noch! Der Deckel rutscht ihm natürlich aus den Händen, die voll schmierigem Lippenstift sind, er zerbricht in zwei Teile, ja, ist das die Rache an seinem zerbrochenen Klo? Draußen klopft es.
    – Christoph, wir gehen dann, Aska kommt jetzt, die braucht hier freie Bahn, kommst du?
    Im Flur haben sich die Gäste versammelt, alle angezogen, Armin hat sich notdürftig repariert, die Schminke bleibt, ist ihm wohl egal, die Frischhaltefolie ersetzt den fehlenden Socken, Armin und Schubal schlüpfen in ihre Schuhe, Schubal muss sich auf den Boden setzen, um seine Schuhe zuzubinden, die Tür ist angelehnt, es klopft, die Tür wird sachte aufgeschoben, es ist Leander Haußmann. Armin stöhnt leise auf, Lydia kennt ihn nicht, Schubal, wie immer, irritiert, er kann nicht blasser werden, als er es schon ist, Stuckrad: Ach, das ist jetzt aber mal …
    – Was? Eine Überraschung? Wer sind denn die Leute hier? Schauspieler, oder was? Castest du für mich schon?
    Er deutet auf den verschmierten, grinsenden Armin, der sich freut, denn jetzt muss Schubal die Hosen runterlassen, der Günstling des Mondes, das kann ja jetzt interessant werden, Norbert Blüm, die Roche und die anderen Gäste von gestern kommen dann ja sicher auch noch gleich, dann kann man die Party von gestern hier mit derselben Belegschaft nachstellen, Parallelgesellschaft, Zeitschleife, Möbiusband oder wie das heißt, das, was gestern aus dem Ruder lief, hier korrigieren, Haußmann inszeniert, dann kann man ja auch den Kuss nachstellen, vorm Klo mit Lydia, dann wird sie sich schon noch erinnern, und das Klo kann man dann auch gleich zertrümmern, Methode geteiltes Leid ist halbes Leid, und dann wird er eben nicht mit Ramses ins Bett gehen, sondern nach Hause, und dann wäre er endlich FREI! Vielleicht könnte man dann auch, das wird er vorschlagen, eine Murmel als Requisit einbauen, die würde er dann einfach einstecken, wenn sie nicht mehr gebraucht wird, und dann hätte er hier seine Schuldigkeit getan, Lydia noch seine E-Mail-Adresse zustecken, ein Abschiedskuss, diesmal auf die Wange, dann wäre er der Sieger, weil sie von ihm einen auf den Mund erwarten würde, Augen schon geschlossen, Mund gespitzt, aber gibt nur Wange, Kleine, und dann ab durch die Mitte. Durch die Mitte von Mitte, wie viele faule Mittewitze dieser blöde Stadtteil wohl schon ertragen musste.
    Schlingensief und Haußmann, kennen die sich? Sind sie Konkurrenten? Schlingensief ist verdächtig lange schon auf dem Klo, vielleicht versteckt er sich, vielleicht mag er Haußmann nicht, Haußmann mit ß, wie albern, was jetzt?
    Also, wenn die Putzfrau klingelt, dann müssen sie alle gehen, schade, kann man nichts mehr nachstellen, der Zufall, das ist die Schnittmenge zweier Notwendigkeiten, hat wohl mal Honecker gesagt, oder hat man ihm in den Mund gelegt, aber hier passt es, für ihn, Armin, zumindest, jetzt steckt mal Schubal in der Scheiße, für den besteht diese Schnittmenge aber aus zwei Prüfungen oder Verhören, na, mein Freund, wie kommst du aus der Haußmannparty wieder raus?
    – Ich weiß nicht, Leander, wir wollten gerade gehen, was machst du hier, brauchst du was, hättest doch anrufen können.
    – Ich hab meinen Schlüssel und mein Handy verbummelt, ich war noch bei (er verdreht die Augen), bei, du weißt schon wem.
    – Nee, weiß ich nicht, Sarah?
    – Welche meinst du? Kirschkern? Wagenheber? Bist du irre, seh ich so aus, nein, egal …
    Haußmann blickt sich unruhig in der ihn anstarrenden Runde um, ihm ist unwohl, hier allzu viel Privates preiszugeben.
    – Komm mal in die Küche, kommt alle, wir können ja, bevor Aska kommt, noch einen Espresso oder so was, ach nein, die Maschine ist ja im Arsch, vielleicht, ist ja eh schon fortgeschritten der Tag, was Aufmunterndes, hab allerdings nur Lambrusco.
    Alle folgen ihm in die Küche, Haußmann stutzt, wegen der aus der Decke gerissenen Lampe und des mit Beeren, Putz und Frosties versauten Bodens.
    – Alle?
    Schweigen. Stuckrad interpretiert das als Zustimmung und holt Gläser aus dem Schrank, gießt allen ein, der Wein ist warm, der Kühlschrank arbeitet wohl nicht mehr recht, hier scheint alles irgendwie defekt. Schlingensief im Bad hat Haußmann draußen gehört, sein quäkender Kasernenhofton, sächselnd, wird immer panischer, der zersprungene Spülkastendeckel, die Wurst, es liegt nicht am Schwimmer, es rinnt überhaupt kein Wasser mehr in den Kasten, jemand hat den Haupthahn wohl abgedreht, aber