Rangun
zurück sein. Wie geht es Lysistrata?«
Friedlander schüttelte den Kopf. »Nicht gut. Ist kaum bei Bewußtsein. Zittert. War ein langer Weg von Khandahoor. Das Mädchen ist aus Eisen, aber selbst Eisen rostet im Dschungel.« Er neigte den Kopf. »Laß doch die Engländer Ritter spielen und uns verschwinden! Du wolltest sie ihnen doch sowieso übergeben.«
»Aber wenn die von Boh Myin verlangen, daß er sich ergibt, schneidet er ihr glatt die Kehle durch.« Er runzelte die
Stirn. »Selbst wenn Dr. Herriott genug Geld hätte, um einen Papagei freizukaufen, würden die Briten sie lieber tot als lebendig sehen. Sie gäbe einen hübschen Märtyrer ab und einen überzeugenden Grund, weiteres Militär in dieses Gebiet zu entsenden.« Er sah Kanaka von unten winken und glitt wie ein Akrobat vom Baum herab.
Friedlander kam gerade rechtzeitig, um Kanakas Bericht zu hören. ».. .haben die Pylone verankert. Ein Sepoy-Regiment unter britischem Kommando kommt auf dem Landwege. Sie schleppen eine Haubitze mit. Mit etwas Glück sitzen sie morgen bei Dämmerung vorm Tor.«
Friedlander sah, daß das Tor aufschwang und daraus Schatten im Dschungel verschwanden. Er zog Ram am Ärmel. »Sieh mal, Boß. Für Kundschafter sind das zu viele Männer.«
Ram nickte. »Sie werden versuchen, die Artillerieeinheit anzugreifen. Friedlander, nimm fünf Naga und kümmere dich um sie... schnell. Sammle Andenken für Boh.« Friedlander berührte seine Stirn und war verschwunden.
Keine Dreiviertelstunde später war Friedlander zurück. »Die saßen wie auf dem Präsentierteller. Die Burschen konnten sogar ihre Pfeile wieder einsammeln.«
»Gute Arbeit. Dein nächster Auftrag: Lenke die Wachen ab, die hinter der Biegung bei Bohs Kriegskanus sind, und stecke die Kanus in Brand...«
»Aber die Wachen werden sehen...«
»Ich will, daß er weiß, daß er keine Fluchtmöglichkeit hat, keine Boote, nicht einmal die Chance, in einem Dschungel voller Naga unterzutauchen.«
Friedlander schaute anzüglich auf ihre zwölf Naga. »Voll, ja?«
»Er wird glauben, was ich ihm sage, wenn seine Patrouille nicht zurückkommt und er Teile von ihnen vor der Tür findet.«
»Du sagst es ihm? Du willst da reingehen?« Friedlander lief rot an. »Er wird dich ans Tor nageln, damit du die erste britische Granate mit deinen Zähnen auffängst!«
»Dann hör mir jetzt lieber zu«, riet Ram ruhig, »weil ich bei
Dämmerung möglicherweise den Mund voll Blei habe. Bleib bei den Naga für den Fall, daß Boh Myin eine andere Patrouille losschickt. Wenn die Briten die Haubitze in Stellung gebracht haben, verschwinde. Die Jacht gehört dir und Kanaka. Bezahle die Naga aus und verschwinde aus Birma. Ihr zwei wart zu lange bei mir, um unerkannt zu bleiben.«
Kanaka berührte seinen Arm. »Warte, Boß. Laß uns helfen. Wir könnten dich reinbringen und wieder raus.«
»Nicht mit Lysistrata. Vielleicht, wenn sie laufen könnte. Aber so...« Er schüttelte den Kopf.
»So, Boß«, sagte Friedlander wütend, »hast du keine Chance! Keine Frau ist das wert!«
»Boh Myin hat auch Khandahoor zerstört«, erwiderte Ram.
»Für dich war Khandahoor ein Scheißhaufen«, kam die empörte Antwort.
Boh Myin war ähnlich gereizt wie Friedlander. Als er so brütete- ein Muskelberg, von einem Schweinsgesicht gekrönt-, warteten die anderen, die in der Pagode hockten, voller Unbehagen darauf, daß er sein Schweigen brach. Boh Myins üblicherweise geschwätziges Wohlwollen war ein Blatt, das sich in einem Augenblick von sonnigem Egoismus zu mörderischer Entschlossenheit wenden konnte. Er herrschte durch überlegene Kampftaktiken, brutale Kraft und eine absolute Rücksichtslosigkeit, die ihn wie eine Aura vollkommener Bösartigkeit und Unbesiegbarkeit umgab. In Wirklichkeit war nichts vollkommen an ihm. Er war einfach gierig. Sein Appetit auf Essen und Frauen entsprach seinem unstillbaren Verlangen nach Sattheit. Wenngleich von Natur aus kein Sadist, war er ein geborener Despot. Wenn auch nicht intelligent, war er doch gerissen und unberechenbar, nicht was seine Ziele anbelangte, sondern was die Wege betraf, wie er sie erreichte. Tet war sein Schatten gewesen, scharfsinnig und neidisch, der ihn nachäffte. Als Belohnung für seinen Ehrgeiz und den Verlust der Schätze Khandahoors hatte’Tet eine Hand verloren. Und durch den folgenden Wundbrand sein Leben.
San, der schlanke, hakennasige Kachin, war noch scharfsinniger als Tet, mit einer kalten Intelligenz, die Boh Myins Schläue in
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