Rangun
seiner Schulter vorbei. »Schrei nicht. Seine verbleibende Zeit auf der Erde ist ohnehin kurz genug. Was auch geschieht, sei still. Je weniger Boh Myin an dich denkt, desto besser.«
Gehorsam sank sie auf das Stroh zurück. Erst nachdem San sich wieder an die Wand gelehnt hatte, schaute sie sich verstohlen im Raum um. Nach einem kurzen Blick auf den Pathan schloß sie die Augen, und die dunklen Kohlen seines antwortenden Blickes brannten noch immer darin. Sie lag von Erleichterung und Entsetzen erfüllt da. Ram sorgte sich genug, um zu ihr zu kommen. Und dafür zu sterben. Seit Khandahoor hatte sie genug gehört, um zu wissen, daß Ram und der Boh Myin alte Feinde waren. Myin wollte Rams Kopf fast mehr als sein Gold.
Diese Gedanken wurden unterbrochen, als ein Posten durch die Tür stürmte. »Die Kanus, Boh Myin! Sie brennen!«
Für einen Mann seiner Größe war Boh Myin rasch auf den Beinen, als sich Bestürzung im Raum verbreitete. »Haltet das Maul! Ihr seid doch kein Hühnerschwarm! Die Briten können ohne ihre Kanone nicht viel tun, und unsere Leute haben sie jetzt vernichtet. Außerdem können wir immer im Dschungel untertauchen.«
»Die Briten können, deine Leute haben nicht und du kannst nicht«, murmelte eine leise Stimme an seinem Ohr. »Ich fürchte, der Abend wird für dich eine Enttäuschung, Boh Myin.« Auf diese entsetzlich vertraute Stimme hin wollte Myin herumwirbeln und nach seinem Dah greifen, doch ein nadelscharfer Druck in den Rippen warnte ihn, nichts zu überstürzen. »Deine Männer schauen mich fast unhöflich an, Boh. Ich schlage vor, du sagst ihnen, sie sollen sich setzen. Bei solchen Manieren fühle ich mich unwohl.« Auf Bohs Zeichen hin setzten sich die Männer widerwillig wie zahme Ottern hin. »Ah, ich fühle mich viel wohler«, kommentierte Ram liebenswürdig. »Du nicht?«
»Ja«, stimmte Boh Myin ebenso gleichmütig zu. »Nur, daß deine Versicherung mich ein bißchen besorgt macht, der Abend werde eine Enttäuschung.«
»Ja, Vorfreude ist nicht immer erfreulich, nicht wahr? Du hast übermäßig lange darauf gewartet, daß deine Männer mit Nachrichten über die Kanone zurückkehren. Du mußt nicht mehr warten. Die Antworten auf all deine Fragen befinden sich seit einer Stunde an deinem Tor.«
Boh Myin nickte kurz einem Mann zu. Der ging hinaus und kehrte kurz darauf aschfahl mit zwei tropfenden, scharlachrotglänzenden Säcken zurück. Aus einem zog er einen geschwollenen, abgetrennten Kopf und hielt ihn vor seinem Häuptling hoch. Würgend drehte Lysistrata ihr Gesicht zur Wand. Schweigen senkte sich über die Männer.
»Leere die Säcke«, befahl Boh Myin grob.
»Soll ich ihm die Mühe ersparen?« fiel Ram ein. »Es sind zwanzig Köpfe... und die Kanone rollt weiter hierher. Wer von euch wird jetzt versuchen wollen, sie aufzuhalten?«
Boh Myin blickte finster. »Hast du das getan?«
»Ich werde das mit jedem tun, der dieses Fort ohne meine Erlaubnis verläßt. Meine Naga sind außerordentlich zuverlässig, vor allem nachts.«
Boh Myin lachte. »Du bist in einer unhaltbaren Situation, Kam Kachwaha, und klug genug, das zu wissen. Ich kann dich zu dieser Erlaubnis zwingen. Tötest du mich, wird Moung San das Mädchen töten. Selbst wenn du die Folter für eine Weile überlebst, habe ich doch das Mädchen. Willst du sehen, wie ihr die Haut streifenweise vom Leib gezogen wird?«
»Nein«, gab Ram zu, »aber dann würdest du kein Geld für sie bekommen.«
Boh Myins Augen verengten sich. »Wieviel willst du zahlen?«
»Nicht soviel, wie ich haben könnte, wären deine Männer in Khandahoor weniger impulsiv gewesen. Wie du weißt, besitze ich in Rangun nichts mehr. Ich kann die Naga zurückrufen und dir entweder die Rani anbieten oder das Geld für ihren Verkauf. Sie ist hundertfach wertvoller als deine Kanus.«
Boh Myin lehnte sich zurück. »Das ist nicht genug. Du hast sie wahrscheinlich verbrannt.«
»Hast du einen anderen Vorschlag? Besser etwas als nichts. Während wir schwätzen, rollt die britische Haubitze näher zu dir.«
»Zu uns«, korrigierte Boh Myin lächelnd. »Sie sind noch mehr darauf aus, dich zu hängen als mich.« Er zeigte einen Goldzahn. »Du weißt, was ich gerne möchte.«
»Bedaure. Wenn du meinen Kopf auf den Säcken haben möchtest, mußt du ihn dir nehmen.« Ram lächelte zurück. »Angenommen, ich schlage mich auf deine Seite, wenn es zum Kampf mit den Briten kommt. Jetzt, da du das Mädchen hast, glauben sie wahrscheinlich ohnehin, ich
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