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Rangun

Rangun

Titel: Rangun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Monson
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den Schatten stellte. Von den Banditen in der Pagode saß er allein ruhig da, als wisse er genau, was ihm die Zukunft bringen würde.
    Lysistrata lag in einer Ecke auf einem Strohlager und registrierte die Stille in der zerfallenen Pagode nach so vielen Tagen bienenstockgleicher Aktivität, aber sie hatte sich viel von Rams Fatalismus angeeignet. Als die Tage vergingen und weder aus Rangun noch von Ram etwas über Lösegeldzahlung zu hören war, akzeptierte sie ihre Verlassenheit und deren unausweichliche Folgen. Zuerst hatte Boh Myin ein schelmisches Vergnügen daran gehabt, sie in seiner Nähe zu haben, aber da sie kaum in der Lage oder willens war, mit ihm zu scherzen, begannen ihr schlechtes Aussehen und die schrumpfende Aussicht auf Profit ihn zu deprimieren. Deshalb der Wechsel in die andere Ecke. Jetzt war sie nicht nur ein Verlustgeschäft, sondern auch ein Passivposten. Die Präsenz einer britischen Kanone verriet, daß die Opposition nicht bereit war, um die Unversehrtheit der Geisel zu feilschen. Mehr als einmal wanderte Boh Myins düsterer Schweineblick zu ihr. Schließlich murmelte sie zu San: »Ich glaube, die Langeweile, mich zu bewachen, wird bald beendet sein.«
    Er lächelte. »Es gibt noch Hoffnung. Wenn die britische Kanone zerstört ist, bleibst du am Leben.«
    »Als kreischendes altes Weib?« Sie lachte. »Moung San, du machst selbst den Tod erträglich.« Dann ergänzte sie: »Ich möchte kein Getue machen, wenn die Zeit kommt... es sei denn, natürlich, Boh Myin beschließt, mit mir Ekelhaftes anzustellen.« Sie zögerte. »Könntest du ihn dazu überreden, es dich schnell tun zu lassen?«
    »Ja«, antwortete er einfach.
    »Danke.« Sie schloß die Augen. »Auf deine Weise warst du mehr als ein Freund.« Tod, du bist mein letzter, reiner Geliebter.
    Er lachte leise. »Ja, ich werde den Schatten dessen spielen, der nicht hier ist, denn wäre er gekommen, wäre er sicherlich
    tot. Mögen deine Arme auch warm sein, die Umarmung des Indes ist bitterkalt. Denke nicht schlecht von ihm, weil er sich anders entschieden hat.«
    »Meine Arme waren nie warm, Moung San. Sie schlossen sieh in Leidenschaft, verschlossen sich in Haß, aber sie waren nie zärtlich. Ich mache ihm keinen Vorwurf.«
    »Aber du liebst ihn«, erwiderte er leidenschaftslos.
    »War es Liebe, so zu handeln?« flüsterte sie. »Jetzt ist es zum Lieben zu spät, und du bist ein zweifach willkommener Schatten, um dem Gestalt zu geben, was verloren ist und was kommen wird.«
    San schaute zu, wie das Feuer hoch aufflackerte und Licht auf die unruhigen Schatten der herumliegenden menschlichen Bastarde warf. Bis auf ihn selbst schienen alle Phantome zu sein. Selbst dieses Mädchen würde bald sterben. Nur in dem kurzen Moment, wenn sein Messer ihr Herz fand, würde sie wichtig für ihn sein. In diesem vollendeten Akt und ihrer absoluten Ergebung würde er sie zugleich besitzen und erlösen. Und der Mann, den sie liebte, würde so fern von ihnen sein, als habe er nie existiert. Dann würde er sie vergessen. An ihren Mut würde er sich erinnern.
    Dann wußte er, daß er diesen Moment nicht erleben würde. Er lächelte kläglich den dunklen, bärtigen Pathan an, dessen schwarze Augen ihn mit der schläfrigen Intensität eines Panthers beobachteten. Der graugekleidete Pathan, der unbemerkt zwischen die Banditen getreten war, hockte sich direkt hinter Boh Myins linkem Ohr hin. San musterte Bohs brutales Gesicht und den massigen Körper, dann die raubtierhaften Züge des schlanken Pathan. Er lehnte sich an die Wand und wartete, da er einen Fluchtweg für den Fall sah, daß er verschwinden müßte. Feuerschein spielte auf verblichenen Shiva-Gemälden. Unter den Bildern waren Holzkisten mit Munition und Sprengstoff gestapelt. Und ironischerweise Enfield-Gewehre, die den Shan gestohlen worden waren.
    Er merkte, daß das Mädchen sich bewegte und nach der Kalebasse mit Wasser griff. Ein Anflug von Perversion veranlaßte ihn, den Kürbs zu nehmen und ihn an ihre Lippen zu halten, wobei er ihren Kopf hob. Absichtlich dem Pathan den Blick über seine Schulter verdeckend, spürte er mehr, als daß er es sah, das Messer des Mannes aus der Scheide gleiten, erwartend, daß er zu seiner eigenen Waffe griff. Lysistrata blickte auf und sah etwas in Sans Gesicht: leichte Anspannung, Amüsiertheit. »Ich frage mich, ob dein Geliebter mich atmen lassen würde, küßte ich dich jetzt«, flüsterte er. Ihre Augen weiteten sich, dann blickte sie unwillkürlich an

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