Rangun
langweilen, da Sie sie bald genug vor Gericht hören werden. Es genügt zu sagen, daß ich ihm etwas schulde, was ich hoffe zurückzahlen zu können. Und indem ich seine sogenannte Schuld in dieser Angelegenheit verringere, reduziere ich meine persönliche Verlegenheit.«
»Und wenn ich mich entschließe, nicht zu kooperieren?«
Sie zuckte die Schultern. »Sie werden Ihren Tag flüchtiger, aber unprofitabler Rache vor Gericht haben... und ich den meinen, wonach Sie Rangun verlassen müssen. Dazu wird es Berichte an Ihren Gebieter in Kaschmir geben, daß Sie Ihre Geschäfte verpatzt haben.«
Stirnrunzelnd paffte er nachdenklich am Chandoo, seine Augen auf Saw gerichtet. »Ist sie verschwiegen?«
»Völlig.«
»Ich möchte im voraus bezahlt werden.«
Lysistrata schüttelte den Kopf. »Nur ein Prozent, um guten Willen zu zeigen.«
»Wieviel insgesamt?«
»Sagen wir tausend Pfund«, schlug sie vor, ruhig in dem Wissen, daß er nur ein paar Pfennige sehen würde.
Er legte die Chandoo -Pfeife ab. »Fünftausend.«
»Nein. Ihre Aussage ist eine Gefälligkeit, nicht eine Notwendigkeit.«
Er blickte auf. »Also gut. Haben Sie das Geld dabei?«
»Das wäre in diesem Bezirk wohl töricht von mir. Mr. Leacock, Harleys Verteidiger, wird Sie bezahlen, wenn er persönlich Ihre Aussage gehört hat.«
Prasads Seufzen war so tief, daß es ohne die wieselhafte Wachsamkeit in seinen Augen kummervoll gewirkt hätte. »Ich sehe, ich werde wieder enttäuscht, Miß Herriott.« Er erhob sich. »Das ist Schicksal. Ich werde auf Mr. Leacock warten.«
Ermutigt von seiner aufgeräumten Stimmung riskierte Lysistrata einen Versuch. »Mr. Prasad, Ram Harley wird eben falls gut zahlen, um zu erfahren, wer ihn als Mörder hin stellte.«
In seinen Augen flackerte kurz Furcht auf. »Davon weiß ich nichts«, murmelte er im Hinauseilen.
Mit dem Blick eines Skorpions sah Ma Saw zu, wie die Tür sich schloß und gab ihren einzigen Kommentar zu diesem Abend ab. »Er weiß alles.«
»Und wenn er solche Angst hat, wird er nie öffentlich für Ram aussagen«, sagte Lysistrata müde. »Er hofft nur darauf, die Vorauszahlung zu bekommen.«
»Vielleicht«, kam die Antwort. »Und vielleicht kam er nur, um Ihre Pläne zu erfahren und Sie zu überrumpeln.«
»Ja, daran habe ich gedacht. Das ist auch ein unerfreulicher Gedanke.« Lysistrata trommelte auf dem Tisch. »Bist du eine gute Schützin, Ma Saw?«
Ma Saw warf einen angewiderten Blick auf die Tür. »Dafür ja.«
Lysistrata erhob sich. »Nicht für ihn. >Dafür< ist Prasad zu schlau.« Sie richtete ihren Sari. »Hoffen wir, daß Harry kein Trödler ist.«
Die Gasse blieb verlassen, aber kaum waren die Frauen in die Kutsche gestiegen, als die andere Tür aufgerissen wurde. Naswral tauchte im düsteren Licht der Kutsche auf. »Ich muß mit Ihnen sprechen, Miß Herriott«, sagte er drängend in besserem Englisch, als sie erwartet hatte.
»Natürlich, worum geht es?«
»Nicht hier.« Er beobachtete die Gasse. »Zu gefährlich. Ich treffe Sie am üblichen Liegeplatz der Rani.«
»Gut.«
Im nächsten Augenblick war er verschwunden. Ma Saw nahm die Zügel. »Ich mag den Mann nicht. Durch die Narbe hat er ein Gesicht zuviel.«
Ram lag still auf seiner Pritsche. Die Nadellöcher des silbernen Lichtes im Wellblechdach wirkten heute nacht größer. In seinem Blickfeld befanden sich 183 davon. Drehte er den Kopf, vereinten sich die Löcher. Sie alle zu zählen, machte ihn verrückt. Aber wenn er sich auf die Löcher konzentrierte, lenkte er sich von anderen Gedanken ab. So von den Vorstellungen, daß Lysistrata mit Harry zusammen war. Daß sie nicht zusammenkamen, solange er lebte, war ein schwacher Trost. Die Unausweichlichkeit war da. Sie brannte sich in sein Hirn, bis er fast sehen konnte, wie sie sich liebten.
Nimm Harrys Platz ein und liebe sie. Selbst jetzt spürte er ihr Haar an seinem Mund. Er mußte einfach den Kopf heben. Nur um von einer würgenden Schlinge zurückgezogen zu werden. Es war kein Traum, denn sie schloß sich, als er daran zerrte. Er öffnete die Augen. Statt Lysistratas Gesicht war ein grinsender Schädel da. Eine stählerne Garotte biß in seine Kehle und eine Explosion in seinem Hirn betäubte ihn mit einem stummen Schrei: »Sie ist mein!«
Nebel schwebte über dem Wasser, das gegen den verlassenen Liegeplatz der Rani schlug. Lysistrata lehnte sich an einen Poller. Sie fühlte sich schwach durch ihre anhaltende Krankheit, war voll dumpfer Erwartung des Schreckens,
Weitere Kostenlose Bücher