Raniels Engelwelt
berichten mir von den Toten und...«
Ich scheuchte sie mit einer Handbewegung hoch.
»Ach, tun sie das wirklich? Oder denkst du dir die Antworten nur aus. Schwer ist es nicht, denn auch ich könnte mich hier hinsetzen und...«
»Dann versuche es doch!«, fauchte sie mich an.
»Ruhig, ganz ruhig, Pamela. Ich glaube dir, dass du Kontakt mit diesem Elion hast. Das ist schon alles richtig. Aber die Hintergründe sind ganz andere.«
»Und welche meinst du?«
Ich wusste, dass meine Antwort auf einer Spekulation beruhte. Doch ich ging zumeist andere Wege als normale Menschen, und das war in diesem Fall nicht anders.
»Dich sehe ich als Mittler zwischen den Engel und den Menschen, doch nicht zum Wohl Letzterer. Ich bin eher der Meinung, dass du die Engel mit einem menschlichen Nachschub versorgst. Dass du ihnen die Menschen zuführst und sie von den Engeln abhängig machst. Egal auf welche Art und Weise. Wer sich weigert, wird so stark unter Druck gesetzt, dass ihm nur der Selbstmord bleibt. Genau das ist es, was ich hinter deinen Aktivitäten vermute.«
Sie schwieg, doch ihre Blicke sprachen Bände. Die himmelblaue Farbe in den Augen war einer Eiseskälte gewichen, und ihre Feindschaft strömte mir förmlich entgegen.
Sie stand auf. Sagte kein Wort mehr zu mir und wandte sich endlich an die Menschen, die ihretwegen gekommen waren. Keiner saß mehr an seinem Platz. Sie alle waren aufgestanden, hielten sich zwischen den Stühlen auf und zeigten sich ratlos.
»Hört mich an, liebe Freunde!«
Die Unruhe verschwand. Sehr schnell wurde es wieder still. Deshalb brauchte die Frau auch nicht besonders laut zu sprechen, um verstanden zu werden.
»Es ist ein Abend geworden, wie ich ihn mir nicht gewünscht habe. Fremde Kräfte haben Elion vertrieben. Man hat mich diskriminiert. Man wollte mich lächerlich machen. Unter diesen Voraussetzungen kann ich die Sitzung nicht fortsetzen, so Leid es mir auch tut. Deshalb bitte ich euch, nach Hause zu gehen, aber ich verspreche euch, dass wir diesen Abend bald wiederholen werden, dann aber ohne Unterbrechung und Störenfriede, denn vergessen werde ich euch nicht.« Sie nickte und gab damit bekannt, dass sie nichts mehr zu sagen hatte.
Bill und ich standen im Hintergrund. Wir lauerten darauf, was passieren würde. Tatsächlich gehorchten die Menschen. Zwar dauerte es noch einige Sekunden, dann aber zogen sie sich zurück. Fast geschlossen drehten sie sich um und gingen.
»Wie eine Herde Schafe«, kommentierte Bill.
»Sei froh, dass es so ist. Ich möchte keinen Widerstand haben.«
»Stimmt. Das wäre fatal gewesen.«
Keiner schaute zurück, während sie das Haus der Engel verließen, in dem wir allerdings noch eine Weile bleiben würden, denn der Spaß war noch nicht beendet. Ich hatte eher den Eindruck, dass es richtig begann, und dies hatte auch mit dem Namen Raniel zu tun. Lange hatte ich nichts mehr von ihm gehört. Er hatte sich aus allem herausgehalten und war seinen eigenen Weg gegangen. Nun aber ging ich sogar davon aus, dass ich ihm bald gegenüberstehen würde.
Erst als die Tür sich hinter dem letzten Besucher geschlossen hatte, drehte sich die Frau wieder um. Sie stand vor Bill und mir, und auch ihr Kinn reckte sie vor.
»Nun?«, flüsterte sie. »Reicht euch das? Jetzt seid ihr mit mir allein. Wollt ihr mich töten?«
Ich musste lachen, denn mit dieser Frage hatte ich wirklich nicht gerechnet.
Dafür stellte Bill die Frage: »Wie kommst du denn darauf?«
»Eine wie ich ist euch doch im Weg – oder?«
Nach diesen Worten fuhr sie mit ihren Händen ins Haar – und riss es einfach ab!
Es war unecht gewesen. In Wirklichkeit hatte sie dunkle Haare, halblang geschnitten.
»Täuschung ist alles, nicht?«
»Das stimmt. Blondhaar hat man seit alters her mit Engeln in Verbindung gebracht.«
»Sind dunkle Haare teuflisch?«
»Manche meinen es.«
»Was sagt Elion dazu?«
Sie lächelte mich scharf an. »Ihm ist es egal, verstehst du? Er achtete nicht auf Äußerlichkeiten. Aber ich kann euch sagen, dass er sehr wütend über das ist, was hier passierte.«
Ich blieb locker, als ich sagte: »Das kann ich mir denken. Er kann seine Schau nun nicht mehr...«
»Das ist keine Schau!«, schrie sie mich an. »Es gibt ihn, und ihr solltet euch vor ihm hüten.«
»Genau das nicht«, erklärte ich. »Wir werden uns nicht vor ihm hüten. Dazu ist er uns zu wichtig, wenn du verstehst. Wir werden sogar Kontakt mit ihm aufnehmen. Wir wollen ihn sehen, so wie du ihn gesehen
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