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rank und schlank und rattenscharf

rank und schlank und rattenscharf

Titel: rank und schlank und rattenscharf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burghard Pohl
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eine hat mit Kira ja schon Bekanntschaft gemacht. Sie hat kurze Hosen an und zeigt mir einen großen blauen Fleck in ihrer Leiste. „Das ist von Ihrem Hund!“ — „Hat Kira die Frau etwa gebissen?“ will Willi wissen. — „Ich wusste nicht, dass Kira sie erwischt hat.“ — Die Schuld wird sofort bei Kira gesucht. „Ich habe Kira an der Leine gehabt und der Frau ausdrücklich gesagt, sie soll stehen bleiben. Sie hat nicht gehört und Kira hat sie erwischt. Sie sind selber schuld. Wie kann man auf einen Hund weiter draufzugehen, der seine Zähne fletscht und knurrt?“ — Ich vermute, die Frauen haben kein einziges Wort verstanden; jedenfalls gehen sie weiter.
     
    Ich habe kein Wasser mehr. „Willi, kannst Du mir meine Wasserflaschen voll machen?“ — „Wenn Du an der Straße weiter gehst, kommt linker Hand ein Brunnen, da kannst Du Wasser bekommen.“ — Ich stehe mit meiner letzten Kraft auf. Willi hilft mir, meinen Rucksack auf den Rücken zu setzen und Christian drückt mir meinen Pilgerstab in die Hand. Wir trennen uns und ich laufe weiter.
    Ich halte die ganze Zeit Ausschau nach besagtem Brunnen. Der Ort ist zu Ende und ich stehe ohne einen Tropfen Wasser da. So ein Mist! Zurück laufen? Auf gar keinen Fall. Egal, ich muss weiter. Ich muss so schnell wie möglich einen Schlafplatz finden. Es ist total schwierig, hier einen abgelegenen Platz zu finden, an dem ich unbeobachtet zelten kann. Freies Zelten ist in Spanien verboten, das wusste ich vorher. Die ganze Stadt ist auf den Beinen und viele machen ihren Abendspaziergang hier am Stadtrand. Es ist kühler geworden und in der Abenddämmerung laufen Jogger an mir vorbei oder kommen mir entgegen.
    Mein Zelt ist zwar flach, olivgrün und somit nicht so auffällig wie Willis, aber ganz blind sind die auch nicht. Schließlich baue ich mein Zelt mit dem letzten Funken Energie auf, keine fünf Meter neben dem Weg. Ich werde von einigen Joggern dabei beobachtet, aber das ist mir jetzt egal. Ich kann keinen Meter mehr laufen, um noch weiter zu suchen.
    Den ganzen Nachmittag bin ich Willi hinterher gelaufen und habe ihn mit letzter Kraft erreicht. Die drei Stunden von heute Morgen und die zwei Stunden Mittagschlaf waren kaum aufzuholen. Das alles nur, um abends von Willi eine Dusche angeboten zu bekommen, die ich nicht mehr nutzen kann.
    Das wird mir morgen nicht mehr passieren!
     
    Von weitem sehe ich die Vorstadt mit ihren Siedlungen und den hell erleuchteten Häusern. Ich liege völlig erschöpft und ohne Wasser im Zelt, draußen ist es schlagartig dunkel. Außer einem Apfel habe ich heute Abend nichts gegessen, wenigstens hat Kira noch ein paar Knochen bekommen. Ich bin froh, dass ich die Augen zumachen kann.
     
    Am nächsten Morgen gehe ich wie gewohnt zwischen neun und zehn Uhr los. Ich habe mich gestern Abend weit vom Pilgerweg entfernt, das Stück muss ich heute erst einmal zurücklaufen. Heute Morgen haben mich jedenfalls keine Pilger mit den Stöcken geweckt.
    Wir laufen bereits drei Stunden und ich lasse Kira an einer Wasserstelle schwimmen. Sie schwimmt für ihr Leben gern. Es ist angenehm warm, ich rolle meine grüne Isomatte im hohen Gras aus und wir schlafen in der Mittagssonne.
    Ich beschäftige mich mit dem Gedanken, aufzugeben. Der Weg zurück würde nur wenige Tage dauern. Von Frankreich aus könnte ich mit Kira auch allein mit dem Auto zurück nach Deutschland kommen. Willi könnte ab Santiago fliegen, das ist auch kein Problem.
    - Welch absurde Gedanken überkommen mich denn da? — Aus welch einem Grund sollte ich aufgeben? — Das Alleinsein? Meine lädierten Zehen? Die extrem schwierigen Witterungsverhältnisse? Oder was sonst? — Ich glaube, der eigentliche Grund dafür wäre, Willi ständig gefolgt zu sein, ohne Rücksicht auf Verluste. Das hat mich extrem geschlaucht. Dass das so nicht weiter geht, wird mir jetzt klar. Aber bevor ich die sechzig, vielleicht achtzig Kilometer zurücklaufe, werde ich lieber die restlichen siebenhundertfünfzig Kilometer vorwärts marschieren. Ich bin ein Kämpfertyp, „aufgeben“ gehört nicht so schnell zu meinem Wortschatz. So hatte ich es mir zwar nicht vorgestellt, aber im Leben verläuft vieles anders als man denkt. Ich schalte mein Handy ein und schreibe eine SMS an Willi:
     
    Hallo Willi, laufe ruhig weiter, ich melde mich in den nächsten Tagen bei dir.
     
    Ich schalte mein Handy aus, habe wenig Akku-Leistung.
     
    Wichtige Erkenntnis:
    Ich habe mich ab heute von diesem Pilgermarathon

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