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Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld

Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld

Titel: Rankin, Ian - Rebus - 06 - Blutschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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man sie bereits zum Schweigen gebracht.
    Rebus bewegte sich zwanglos zwischen den Demonstranten, die tranken, miteinander scherzten und ihre Uniformen richteten. Ein Union Jack wurde entrollt, musste aber dann wieder aufgerollt werden, da er die Initialen der British National Party trug. Sammelbüchsen oder -eimer schien es keine zu geben, da die Polizei auf einen schnellen Marsch mit möglichst wenig Kontakt zum Publikum bedacht war. Rebus wusste das, weil er Farmer Watson danach gefragt hatte.
    »Auf King Billy!« Eine Bierdose wurde hochgehalten. »Gott segne die Queen und König Wilhelm von Oranien!«
    »Bravo, mein Junge.«
    Die Melonenträger standen größtenteils herum, die Hände leicht auf der Holzkrücke ihrer aufgestützten Regenschirme ruhend. Man durfte diese Männer nicht unterschätzen, und gnade Gott dem, der eine Diskussion mit ihnen anfing.
    »Warum hasst ihr die Katholiken so?«, schrie eine Passantin.
    »Tun wir gar nicht!«, brüllte einer zurück, aber sie trippelte schon mit ihren Einkaufstaschen davon. Hier und da lächelte jemand, aber sie hatte ihren Standpunkt klar gemacht. Rebus sah ihr nach.
    »He, Gavin, wie lange noch?«
    »Fünf Minuten, nur die Ruhe.«
    Rebus sah zu dem Mann, der gerade gesprochen hatte, dem Mann, der wahrscheinlich Gavin MacMurray hieß und somit das Sagen hatte. Er schien aus dem Nichts aufgetaucht zu sein. Rebus hatte Gavin MacMurrays Akte gelesen: zwei Festnahmen wegen Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie Körperverletzung, aber noch etliche weitere Informationen. Rebus kannte sein Alter, achtunddreißig, wusste, dass er verheiratet war, in Currie wohnte und eine Autowerkstatt besaß. Weiter, dass er mit dem Finanzamt im Reinen war, dass er einen roten Mercedes fuhr (obwohl er sein Geld mit weit prosaischeren Fords, Renaults und dergleichen mehr verdiente) und sein halbwüchsiger Sohn wiederholt wegen Schlägereien Probleme bekommen hatte: zwei Festnahmen wegen Teilnahme an Straßenschlachten am Rand von Spielen der Rangers und eine Festnahme nach einem Zwischenfall im Zug auf der Rückfahrt von Glasgow.
    Also ging Rebus davon aus, dass es sich bei dem Teenager, der dicht neben Gavin MacMurray stand, um dessen Sohn Jamesie handeln musste. Jamesie litt sichtlich unter vielfältigen Allüren. Er trug eine Sonnenbrille und ein taffes Auftreten zur Schau und betrachtete sich ganz offenkundig als seines Vaters Leutnant. Er stand breitbeinig da, die Schultern gestrafft. Rebus hatte noch nie jemanden gesehen, den es so sehr in den Fingern gejuckt hätte, irgendwas zu tun. Er hatte die quadratische Kinnlade seines Vaters, das gleiche, vorn kurz geschnittene schwarze Haar. Aber während Gavin MacMurray in anonymer Kaufhausware verpackt war, wollte Jamesie sichtlich auffallen. Bikerstiefel, enge schwarze Jeans, weißes T-Shirt und schwarze Lederjacke. Er trug ein rotes Tuch am rechten Handgelenk und eine nietenbeschlagene Ledermanschette am linken. Sein hinten langes, lockiges Haar war über den Ohren ausrasiert.
    Sich vom Sohn zum Vater zu wenden, bedeutete einen Wechsel von offener zu verhohlener Kraft. Rebus wusste schon, welchen von beiden er sich lieber vornehmen würde. Gavin MacMurray kaute mit den Vorderzähnen Kaugummi. Kopf und Augen waren ständig in Bewegung, aufmerksam, wachsam. Er hielt die Hände in den Taschen seiner Windjacke und trug eine Nickelbrille, deren Gläser seine Augen vergrößerten. Er schien herzlich wenig Charismatisches an sich zu haben, nichts vom mitreißenden Volksredner. Er sah beängstigend normal aus.
    Weil er normal war – sie alle waren es, alle diese halb betrunkenen Arbeiter und Rentner, braven Familienväter, die der British Legion oder ihrem örtlichen Veteranenklub angehören konnten, die an Sommerabenden den Boule-Rasen bevölkern und mit ihren Familien in Spanien, Florida oder Largs Urlaub machen mochten. Erst wenn man sie in solchen Zusammenrottungen erlebte, spürte man noch etwas anderes. Als Einzelne besaßen sie nichts als eine nagende Unzufriedenheit; gemeinsam hatten sie eine Stimme: das Dröhnen der lambeg , so dumpf wie ein Herzschlag; die durchdringenden Flöten; den Marschrhythmus. Diese Dinge faszinierten Rebus von jeher. Er konnte nichts dagegen tun. Es steckte ihm im Blut. In seiner Jugend war er auch mitmarschiert. Er hatte damals alles Mögliche gemacht.
    Nun schlossen sich die Reihen, nahmen MacMurrays Mannen unter den Augen ihres Führers Aufstellung. Zwei Worte zum verantwortlichen

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